Armer Teufel, halber Mensch!

Andreas Dresens Kino-Version von "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" ist schwächer als die 13-teilige ZDF-Serie von 1979

von Marc Hairapetian

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Größere Ansicht anzeigen Charlie Chaplin sagte: "Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag!" Arved Friese & THE SPIRIT aka Marc Hairapetian (Foto: Heiko Lehmann für Spirit - Ein Lächeln im Sturm www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.de)

Diese Jugend-Literaturverfilmung wurde lange herbeigesehnt, aber von Lesern des Buches und Anhängern der deutschen Kult-Fernsehreihe von 1979 auch mit Argwohn betrachtet: Andreas Dresens Kinoversion "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" hält sich einerseits enger an das 1962 erschienene Meisterwerk von James Krüss (1926 - 1997) als bisherige Adaptionen, andererseits auch wieder nicht, wenn lieb gewonnene Nebenfiguren plötzlich anders interpretiert werden beziehungsweise ganz verschwinden. Hinzu stören manche unnötige CGI-Effekte à la Disney den Fluss der spannend-philosophischen Handlung. Dennoch ist Andreas Dresen ("Nachtgestalten", "Halt auf freier Strecke") mit der Oliver-Berben-Produktion ein mit Abstrichen unterhaltsamer Film für die ganze Familie gelungen, der sich nicht scheut, Konsum- und Kapitalismus-Kritik auch an junge Zuschauer heranzutragen.
 Der Waisenjunge Timm Thaler (Arved Friese), der zusammen mit seiner überkandidelten Stiefmutter (Steffi Kühnert) und seinem verzogenen Stiefbruder Erwin (Emil von Schönfels) in einer namentlich nicht genannten mitteldeutschen Großstadt lebt, ist ein aufgewecktes Kerlchen, das mit seinem geradezu ansteckenden Lachen die Sympathien seiner Mitmenschen wie im Fluge erobert. Aus genau diesem Grund hat es auch der von Justus von Dohnányi verkörperte, ebenso vermögende wie amoralische Baron Lefuet (ein Ananym für Teufel!) darauf abgesehen: Timm erhält die Garantie, dass er künftig jede Wette gewinnt, wenn er dem modernen Luzifer sein Lachen verkauft. Der Junge kann dem verlockenden Angebot einfach nicht widerstehen und glaubt zunächst, sein Glück gemacht zu haben. Doch ohne sein Lachen fühlt er sich nur noch als halber Mensch. Auch als er mittels einer Wette plötzlich zum reichsten Jungen der Welt avanciert, bleibt sein Leben freudlos. Seine ihm verbliebenen Freunde, der in einem Luxus-Hotel als Barkeeper arbeitende Kreschimir (Charly Hübner) und die kleine Ida (Jule Hermann), wollen dabei allerdings nicht tatenlos zusehen. Und so schmieden sie gemeinsam einen Plan, um den Baron zu überlisten und Timms Lachen zurückzugewinnen.
Größere Ansicht anzeigen Andreas Dresen & THE SPIRIT aka Marc Hairapetian (Foto: Heiko Lehmann für Spirit - Ein Lächeln im Sturm www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.de
 Während der Roman und Sigi Rothemunds in die damalige Gegenwart transportierter ZDF-Straßenfeger rund um den Globus spielen, beschränken sich Drehbuchautor Alexander Adolph und Regisseur Andreas Dresen, der "Timm Thaler" eigentlich gemeinsam mit Produzenten-Legende Bernd Eichinger (1949 - 2011) realisieren wollte, auf nur wenige Schauplätze: Es sind die Galopprennbahn (gedreht wurde stilecht in Hoppegarten/Brandenburg) und das gute alte Grand Hotel als Tor zur Welt. Arved Friese ist nicht Tommi Ohrner, der hier einen Gastauftritt als Concierge hat, macht aber seine Sache sehr gut, wenn er den Großteil des Films mit ernster Miene agieren muss, bis er sein Lachen zurückgewinnt. Im Vergleich zum unvergessenen Horst Frank (1929 - 1999), der den Baron kongenial mal charmant, mal eisig, aber immer bedrohlich darstellte, fällt Justus von Dohnányi stark ab. Sein feister Beelzebub scheint zu sehr aus dem Kasperle-Theater entlehnt zu sein, um überzeugend als Verführer des Jungen zu wirken. Am Ende, als Timm wieder bis über beide Ohren strahlen kann, hat man sogar Mitleid mit ihm. Armer Teufel!
 Der aufwändig eingespielte, leicht überdrehte Soundtrack von Johannes Repka besitzt leider auch nicht die melancholisch-düstere Atmosphäre des geradezu psychedelischen Scores eines Christian Bruhn. Und so erinnert "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" 2017 mitunter mehr an eine deutsche Kinder-Variante von Wes Andersons "Grand Budapest Hotel" (2014), was aber nicht ohne Reiz ist. Letztendlich bleibt Kurt Vethakes Hörspiel - verteilt auf zwei LPs - aus den 1970er Jahren die werkgetreueste Bearbeitung des Krüss-Klassikers.

Interview mit Regisseur Andreas Dresen zu "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" mehr

Marc Hairapetian am 16. Januar 2017 für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.de / www.spirit-fanzine.com

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