Alles auf eine Karte

Vom Unterhosenmodell zum Spieler: Mark Wahlberg glänzt in "The Gambler" (Kinostart. 15. Januar 2015)

von Marc Hairapetian

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Mehr oder weniger gewollt hat sich der Brite Rupert Wyatt zum Spezialisten für ambitionierte Hollywood-Remakes zu entwickelt. Nach dem zu Recht gelobten Science-Fiction-Film "Planet of the Apes: Prevolution" (2011) und noch vor "Star Trek 3" (angekündigt für 2016), für dessen Regieposten er noch immer in der Verlosungstrommel ist, hat er nun mit "The Gambler" die paradoxer Weise auf sperrige Art fesselnde Neuverfilmung von Karel Reisz' und James Tobacks "Spieler ohne Skrupel" (1974) vorgelegt. In der Titelrolle lässt Mark Wahlberg seinen Vorgänger James Caan zwar nicht vergessen, doch das ehemalige Unterhosenmodell, das auch als Frontmann von Marky Mark and the Funky Bunch für Furore sorgte, liefert mit der präzisen Charakterstudie eines selbstzerstörerischen Einzelgängers die vielleicht beste Leistung seiner bisherigen Leinwandkarriere ab.
 Literaturprofessor und Buchhautor Jim Bennett (Wahlberg), der kein Mittelmaß toleriert, führt ein Doppelleben: Während er tagsüber am College unterrichtet, treibt ihn nachts seine Spielsucht in die dunkelsten Ecken des an sich so sonnigen Los Angeles. Da er auch hier immer volles Risiko geht, kommt er bald in eine auswegslose Situation. Er schuldet Mr. Lee (Alvin Ing, bekannt aus "Ein Engel auf Erden"), dem Veranstalter illegaler Runden, eine horrende Summe Geld. Noch brenzliger aber sind seine Ausstände beim gewissenlosen Gangster Neville (Michael Kenneth Williams). Widerwillig hilft Jim seine reiche Mutter Roberta (sehr gealtert: Jessica Lange) aus, doch im Nu verspielt er die gesamten 260.000 Dollar wieder, bevor er nur einen Cent seiner alten Schulden beglichen hat. "En passant" fängt er noch eine Affäre mit der ihm geistig gewachsenen Studentin (Brie Larson) ein und lässt sich mit dem dubiosen Kreditgeber Frank (John Goodmann) ein...
 Wer einen typischen Wahlberg-Action-Thriller wie "Shooter" (2007) oder "2 Guns" (2013) erhofft, könnte von "The Gambler" enttäuscht sein. Freunde von subtil inszenierten Zocker-Porträts wie "Haie der Großstadt" (1961) oder "Cincinnati Kid" (1965) kommen hingegen voll auf ihre Kosten. Wahlberg dominiert den exzellent fotografierten Film
(Kamera: Greig Fraser) trotz (oder gerade wegen!) seiner an sich unmöglichen 1970er-Jahre-Frisur. Er wirkt nicht gerade sympathisch, aber interessant-eigenwillig. Seine Haltung, hohe Ansprüche an andere und sich selbst zu stellen, kann bei seiner Spielsucht nur zum Scheitern verurteilt sein. Wie er den Weg dennoch aus dem Elend findet, indem er nochmals alles auf eine Karte setzt, zollt dem Betrachter aber Respekt ab und hat Stil. Dagegen fällt der immer übergewichtigere John Goodman als Karikatur seiner selbst deutlich ab. Er hat diesmal nichts anderes zu tun, als sich selbst herzuzeigen und in einem minutenlangen Zwiegespräch mit Wahlberg die rekordverdächtige Anzahl des auf Dauer nervtötenden "F..."-Worts von sich zu geben. Ein Minuspunkt auch für Drehbuchautor William Monahan. Einige Anschlussfehler trüben den Sehgenuss: Bürostühle finden sich nach dem Gegenschnitt plötzlich an anderer Stelle wieder. Hier waren Regisseur Rupert Wyatt und sein Cutter Pete Beaudreau nicht aufmerksam. Dafür ist der poetisch-düstere Soundtrack von Jon Brion und Theo Green, der mit Stücken von Pulp, M83 und Pink-Floyd-Coverversionen der Easy Star All-Stars angereichert wurde, hörenswert!

Marc Hairapetian am 30. Dezember 2014 für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-fanzine.de