Ein Engel auf Erden!

Berlinale 2018: Welturaufführung der restaurierten Fassung von Wim Wenders "Der Himmel über Berlin"

von Marc Hairapetian

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Größere Ansicht anzeigen Berlinale 2018, Day 2: THE SPIRIT aka Marc Spirit Hairapetian, meets the legendary Swiss actor Bruno Ganz ('THE BOYS FROM BRAZIL', 'NOSFERATU THE VAMPYRE', 'DER UNTERGANG'), at the premier of the restored version of 'WINGS OF DESIRE' ('DER HIMMEL ÜBER BERLIN', West Germany/France 1987, directed by Wim Wenders). Bruno, now 76 years old, was one of the three angels in the film. The SPIRIT and Bruno Ganz did their first interview together in 1998 and were both very happy to meet up again at the after show party, talking at length of their common role model Oskar Werner. (Berlin, Cinema International, February 16/17, 2018, photo by SPIRIT - A SMILE IN THE STORM). www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.de / www.spirit-fanzine.com)

Wim Wenders war am Freitagabend im bis auf den letzen Platz gefüllten Kino International sehr glücklich darüber, dass "Der Himmel über Berlin" nun so gezeigt werden konnte, wie es sich sein legendärer Kameramann Henri Alekan (1909 - 2001, "Es war einmal", "Ein Herz und eine Krone", "Die dritte Dimension", "Topkapi") immer gewünscht hatte: Während bei den schwarzweißen Bildkompositionen nun die Grauwerte besser zur Geltung kommen, besitzen die Kodak-Farbsequenzen nahezu magische Leuchtkraft! Inhaltlich wirkt der Film 30 Jahre nach seiner Entstehungszeit mitunter etwas langatmig, was vor allem an den bedeutungsschwangeren Off-Kommentaren liegt. Die Handlung wird von Peter Handkes Gedicht "Lied vom Kindsein" umrahmt: Die Engel Damiel (Bruno Ganz) und Cassiel (Otto Sander) treten als Beobachter der Welt auf, wobei ihnen besonders das (damals noch geteilte) Berlin am Herzen zu liegen scheint. Sie können zwar nicht direkt in das Leben von Menschen und Tieren eingreifen und sich ihnen auch nicht zu erkennen geben, ihnen jedoch neuen Lebensmut einflößen, indem sie ihnen unbemerkt die Hand auf die Schulter legen. Eines Tages wird bei Damiel der Wunsch, am Leben der Sterblichen teilzuhaben, so groß, dass er dafür bereit ist, auf seine Unsterblichkeit zu verzichten. Mit einer antiken Ritterrüstung als Startkapital wird er in unsere Welt hineingeworfen. Endlich kann er essen, trinken und mit den Menschen kommunizieren! Und auch die Liebe lernt er in Gestalt der Trapezkünstlerin Marion (Solveig Dommartin) kennen, die sich als Umkehrschluss zu ihm von der Erdschwere eigentlich lösen wollte...
 Das hochdekorierte, an Originalschauplätzen wie der Staatsbibliothek zu Berlin und dem Anhalter Bahnhof gedrehte Werk hat zwar Längen, begeistert aber dennoch durch Henri Alekans schwebende Kamerafahrten, diverse Gastauftritte (köstlich: Peter Falk als verkappter Engel, der mit seinem "Columbo"-Image spielt) und einige hypnotische Momente: So gehört Solveig Dommartins Tanzszene beim Nick-Cave-Konzert in den Relikten des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hotel Esplanade, das mittlerweile versetzt und ins Sony Center integriert wurde, zu den wenigen wirklich erotischen Szenen im Gesamtschaffen von Wim Wenders. Ausgezeichnet auch die darstellerischen Leistungen der beiden Theatergrößen Otto Sander und Bruno Ganz, die trotz der Stimmung der Traurigkeit, die sie umgibt, immer wieder feine humoristische Akzente setzen. Es ist zudem für das heutige Kinopublikum sicherlich interessant zu beobachten, wie das westliche Berlin vor dem Mauerfall aussah. Das lässt den zum Teil kunstgewerblichen Impetus verschmerzen. Wim Wenders, Bruno Ganz und Nick Cave, mit denen THE SPIRIT auf der After-Show-Party sprach, waren sich einig, dass "Der Himmel über Berlin" nunmehr für sie tatsächlich eine melancholische Erfahrung geworden ist, da viele ihrer Filmpartner wie Curt Bois, Solveig Dommartin, Peter Falk und Otto Sander nun "tatsächlich zu Engeln geworden sind" (Zitat von Wenders).

Marc Hairapetian 19. Februar 2018 für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.de / www.spirit-fanzine.com.

Größere Ansicht anzeigenBruno Ganz & Solveig Dommartin in 'DER HIMMEL ÜBER BERLIN'