Tom + Jenny ( oder "Liebe ist nur ein Wort")

Von Wolfgang Schumacher (aka Malte Thorsten)

Die Tür wurde aufgerissen. Jenny stand im
Gegenlicht zwischen den Pfosten. Erschrocken
blinzelte Tom in ihre Richtung. Der Fernseher war
die einzige Lampe im Zimmer. Fußball.

»Hallo?!« sagte Tom zaghaft. Die roten Zahlen der
digitalen Uhr auf dem Fernseher zeigten
Dreiundzwanzig‑Uhr‑siebzehn. Jenny knipste
das Deckenlicht an und legte los:

»Was ist dir mehr wert?!! Unsere Liebe oder das da?!« Ihr Finger zeigte auf den Fernseher. Tom fühlte sich total, unbehaglich und antwortete die einzig richtige Antwort:

»Unsere Liebe natürlich, mein Schatz!« Er lächelte schief und schaltete mit der Fernbedienung den Fernseher ab. Jenny knipste das Licht aus. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß. Tom saß in seinem Sessel, saugte an seiner Zigarette und starrte im Dunkeln auf die roten Zahlen der digitalen Uhr. Dreiundzwanzig‑Uhr‑achtzehn.

»Ich liebe dich ... « flüsterte Tom.

Und die Zeit verinnt ...

Tom saß am Küchentisch. Vor ihm standen sechs Halbliter Bierdosen. Davon waren fünf leer. Er schnippste die Asche von seiner Kippe in den überquellenden Aschenbecher. Jenny kam rein und pustete unentwegt gegen ihre Fingernägel. Der rote Lack sollte trocknen. Sie ging zum Kühlschrank und schenkte sich mit abgespreizten Fingern ein Glas Frascati ein. Jenny hielt die Augen zusammengekniffen, um dem Rauch der Zigarette zwischen ihren Lippen auszuweichen.

»Was ist dir mehr wert?! Unsere Liebe oder das da?!« fragte sie im Hinausgehen und machte mit dem vollen Weinglas eine vage Bewegung in Richtung der Bierbüchsen und hatte noch ein Anliegen:

»Bitte mach nachher das Licht aus, wenn du rausgehst!« Die Küchentür schlug hinter ihr zu. Tom rauchte die Zigarette zu Ende, dann leerte er den Aschenbecher und schüttete den Rest aus der letzten Bierbüchse in das Waschbecken.

»Ich liebe dich ... « flüsterte Tom, »..ich liebe dich ... «

Und die Zeit verinnt ...

In der Nacht fickten sie gierig und wild, wie sie es immer taten. Tom sagte: »Ich liebe dich!« Jenny antwortete: »Ich weiß! Ich weiß, mein Liebster!«

Und die Zeit verinnt ...

Tom kniete neben seinem Motorrad und stellte den Vergaser ein. Mit einer Hand drehte er am Gas und mit der Rechten justierte er die Schraube ... »Brrrrummmm..Brrrummm..!!«

- 2 -


Eine vergitterte Handwerkerlampe stand neben ihm auf dem Asphalt. Es war gegen zweiundzwanzig Uhr. Jenny kam aus der Haustür und hockte sich neben das Motorrad auf die Rinnsteinkante und machte sich eine Zigarette an.

»Was ist dir lieber?! Unsere Liebe oder das da?!« Dabei nickte sie mit dem Kopf dem Motorrad zu. Tom ließ den Gaszug los und hockte sich neben Jenny. Sie hielt Tom die Zigarette vor die Lippen und gewährte ihm einen Zug. Jenny stand auf und ging ins Haus zurück. Tom hockte am Rinnstein vor seinem Motorrad. Die Sterne funkelten.

»Ich liebe dich ... « flüsterte Tom und schaltete die Zündung aus, »..ich liebe dich ... «

Und die Zeit verinnt ...

Die Küchenuhr zeigte Null‑Uhr‑achtundvierzig. Tom saß mit Ruben und Michael am Tisch. Sie spielten Poker, tranken Bier und rauchten. Dicke Schwaden hingen in der Luft und es roch wie in einer Kneipe. Der Ghettoblaster spielte Bluesmusik. Auf dem Tisch lag Geld. Tom stand auf.

»Ich muß mal pissen!« Im Flur begegnete er Jenny. Sie hielt ihre Katze auf dem Arm.

»Was ist dir mehr wert?! Unsere Liebe oder das da?!« Sie zeigte auf die Küchentür. Im großen Zimmer klingelte das Telefon. Jenny ging hin.

Nach dem Pinkeln wusch sich Tom die Hände. Dabei schaute er in den Spiegel und flüsterte:

»Ich liebe dich ... «

Und die Zeit verinnt ...

Tom stand mit Martha vor einer Haustür. Sie küßten sich. Die Kegel zweier Autoscheinwerfer erfaßten die beiden. In einigem Abstand hielt Jenny's Porsche‑Cabriolet. Jenny drückte zweimal auf die Hupe. Tom löste sich aus der Umarmung und Martha verschwand in der Haustür. Langsam ging Tom zum Porsche. Er setzte sich auf den Beifahrersitz und schloß den Sicherheitsgurt. Trotz nächtlicher Stunde trug Jenny eine Sonnenbrille.

»Was ist dir mehr wert?! Unsere Liebe oder das da?'« fragte Jenny mit beiden Händen am Steuer. Eine Zigarette qualmte aus dem Aschenbecher.

»Ich liebe dich ... « flüsterte Tom und schaute starr geradeaus. » ... ich liebe dich ... «

Jenny's behandschuhte Faust explodierte in Toms Gesicht.

» ... ich liebe dich ... « antwortete Tom. Das Blut lief sein Kinn runter ...

Und die Zeit verinnt ...

- 3 -

Tom fickte Jenny so tief er nur konnte. Jenny hörte überhaupt nicht mehr auf zu schreien. Endlich spritzte Tom Jenny randvoll und beide blieben keuchend ineinander liegen. Jenny schob Tom aus sich raus und machte sich eine Zigarette an.

»Ich liebe dich! Oh, wie ich dich liebe! Ich liebe dich!« japste Tom.

»Ja mein Liebster! Ich weiß..« sagte Jenny und bließ den Rauch gegen die Decke.

Und die Zeit verinnt ...

Warm lag Tom's Hand auf ihrer Brust. Die Warzen ragten immer noch geil nach oben. Regen trommelte gegen die Scheiben. Der Liebesschmerz erschien Tom unerträglich. Er stöhnte laut auf. Tränen liefen aus seinen Augenwinkeln. Ihm wurde kotzübel. Jenny berührte seine Hand auf ihrer Brust. Tom spürte den kalten Hai‑ich des Todes. Er war kurz vor einer Ohnmacht. Der glitschige Film aus Schweiß hatte mittlerweile seinen ganzen Körper überzogen. Vor lauter Angst fing Tom an züi stinken. Immer wieder stammelte er los wie eine Gebetsmühle:

»..ich liebe dich..ich liebe dich ... ich liebe dich .... « »Ja..« sagte Jenny, »..ja..ja..« dabei strich sie sanft über Tom's nasses Haar, »..ich liebe dich auch..«

Draußen brummte der Verkehr. Im Fernsehen brach um sechzehn Uhr ein Vulkan aus. Jenny rauchte.

Und die Zeit verinnt ...

Tom saß am Küchentisch und baute seine Pistole zusammen. Jenny kam rein undsetzte sich Tom gegenüber. Tom schaute kurz auf, brummte: »Hallo!« und putzte weiter an der schwarzen Waffe rum. Jenny hatte eine Packung Zigaretten mitgebracht. Sie machte sich eine an.

»Guten Abend, Tom!« grÜßte Jenny. Umgeben von Geräuschen sagten beide eine zeitlang nichts. Jenny drückte ihre Zigarette aus. Mit spitzen Fingern hob sie das Magazin in die Höhe.

»Was ist dir mehr wert?! Unsere Liebe oder das"?

Sie ließ das Magazin auf den Tisch fallen. Eine Patrone sprang raus, kullerte über die Tischplatte und fiel auf den Boden. Langsam hob Tom den Kopf und schaute in Jenny's dunkle Augen. Jenny ging züm Kühlschrank und schenkte sich einen Grappa ein. Sie lehnte an den Kühlschrank, nippte am Glas und fixierte Tom. Der bückte sich

vom Stuhl aus, hob die Patrone auf und drückte sie in das Magazin zurück.

Jenny erinnerte Tom im Hinausgehen: »Denk' bitte an das Licht!« Die Tür krachte ins Schloß. Er schob das Magazin in den Griff:

»Ich liebe dich ...« flüsterte Tom und lächelte sein schiefes Lächeln,

»..ich liebe dich ... «

Tom entsicherte die Waffe .....