Die späte Ernte des Carsten Bohn
Interview mit dem Schöpfer unzähliger Hörspielmelodien wie „Die drei ???“ und „Fünf Freunde“
Von Marc Hairapetian
Die späte Ernte des Carsten Bohn
Interview mit dem Schöpfer unzähliger Hörspielmelodien wie „Die drei ???“ und „Fünf Freunde“
Von Marc Hairapetian
MaHa: Wie wurdest du vom Rock-Bazillus infiziert?
Bohn: Die übliche Geschichte. Mein Vater ist sehr musikalisch und spielt
verschiedene Instrumente, auf denen ich dann auch probieren durfte. Mit fünf
Jahren hatte ich Klavierunterricht und spielte Bela Bartok.
Nach zehn Jahren Übung für die Unabhängigkeit der rechten und
der linken Hand, kam die Zeit der Beatles und verschiedener Schulbands, in
denen ich spielte. Meine erste Band hieß „The Rebells“,
wir hatten Tom-Jones-Schuhe und Rüschenhemden an.
MaHa: Wie ist man auf dich Ende der 1970er Jahre beim Europa-Label als Hörspielkomponist
gekommen, bis dahin hatte man ja fast ausschließlich klassische Musik
zur Untermalung des Textes benutzt?
Bohn: Ich weiß noch das Europa damals die Hörspielmusik auffrischen
wollte, weg von dieser klassischen Nummer, sie hatten damals die Idee mit
einer Band zu arbeiten.
Ich wohnte zu jener Zeit in dem Haus, in der Hamburger Schlüterstr.18,
das Heikediene Körting, die Regisseurin von Europa, von ihrem Mann, dem
„künstlerischen Gesamtleiter“ Dr. Andreas Beuermann zur Hochzeit
bekam. Zufällig bekam sie heraus, das ihre Mieter eine Band sind, und
sie schlug uns vor mit ihr zusammen zuarbeiten.
MaHa: Da deine Hörspielsoundtracks ohne deine Einstimmung auf unzähligen
anderen Tonträgern erschienen sind und statt deinem Namen, „märchenhafte“
Gestalten wie „Phill Moss“, „Betty George“ und „Bert
Brac“genannt wurden führt die GEMA seid Jahren einen Prozeß
gegen BMG-Miller. Du hast also auch schon die „dunkle Seite“ des
Musik, bzw. Hörspielgeschäftes mitbekommen. Hat das deine Sicht
auf die Dinge verändert oder verhärtet?
Bohn: Ich trage keine Flagge mit mir herum, auf der „Krieg“ steht.
Mir geht es um die Fans, über die ich mich freue. Ich bin sehr dankbar
über die positiven Reaktionen und über die Möglichkeit, meine
Musik jetzt nach Jahren wieder spielen zu dürfen. Diese Möglichkeit
wäre ohne den jetzt gegebenen Anlass und ohne eine Fangemeinde gar nicht
vorhanden. Ich sehe das als die späte Ernte, deren Saat ich vor Jahren
gelegt habe. Neulich sagte einer zu mir: Stell dir vor, seid fünfzehn
Jahren höre ich 365 mal im Jahr deine Musik...
MaHa: Wahrscheinlich, wie ich auch zumEinschlafen..
Bohn: Ja, genau sie alle hören es zum Einschlafen. Deshalb mögen
die Hörer auch die CDs nicht, da diese durchlaufen, man hat sich daran
gewöhnt, nach 20 Minuten einzuschlafen. Am nächsten Morgen wird
umgedreht und man wacht mit der zweiten Hälfte auf.
MaHa: Dein Sohn ist Jahrgang 71, genau die Zielgruppe der Hörspielwelle,
inwiefern hat er sich dafür und für deine Arbeit begeistert?
Bohn: Mein Sohn Dennis hatte einen sehr großen Einfluss auf meine Arbeit.
Wenn ich komponiert habe, sass er auf meinem Schoß und war mein Berater,
wenn er Themen meiner Musik mit Bildern verbinden konnte waren sie für
mich verwendbar. Ich glaube das unterscheidet mich von denen, die diese Arbeit
vor mir gemacht haben, ich will mich nicht daran abarbeiten und fertig, sondern
es ist mir wichtig, wie es wirkt und was es bedeutet. Ich habe irgendwann
zufällig festgestellt, dass mein Sohn in Hamburg alle Kassetten, auf
denen Musik von mir genutzt wurde, gesammelt hatte, während in in New
York lebte.
MaHa: Wie findest du eigentlich die neue Musik der“ drei???“
?
Bohn: Hauptsächlich genauso flach wie die Arbeiten, über die ich
mich früher schon aufgeregt habe.
MaHa: Wie ist die Idee zustande gekommen mit der Musik, die du für zahlreiche
Abenteuer- und Horrorhörspiele komponiert hast, auf Tour zu gehen?
Bohn: Nachdem man über das Internet herausgefunden hatte, dass sich hinter
Bert Brac, Phill Moss und Co. meine Person verbirgt, kamen zahlreiche Anfragen
von Hörspielfans, ob die Musik auch ohne Gekreische und andere Hintergrundgeräusche
zu kriegen wäre.
MaHa: Worum geht es dir bei deiner Musik?
Bohn: Es geht um Emotionen, um Heiterkeit und Wärme, Elemente die in
der Jazzmusik und im Fusion vorkommen. Bewegung statt Starrheit, das ist wichtig,
Herbie Hancok ist da ein Vorbild.
MaHa: Wann findet die Tour statt?
Bohn: Sie geht vom 9. bis zum 19. Oktober, der letzte Termin findet in Berlin
statt.
MaHa: Gab es denn rechtliche Probleme im Vorfeld?
Bohn: Diese Dinge sind offiziell geklärt. Ich darf mich als Macher der
Musik nennen und darstellen, sonst wäre die ganze Tour und die Promotion
gar nicht möglich gewesen. Die Urheberrechte liegen ja bei mir.
MaHa: Wie wird das Programm aufgebaut sein?
Bohn: Wir wollen chronologisch vorgehen, nach der Reihenfolge der erschienenen
Hörspiele.
MaHa: Werdet ihr mit der alten Besetzung auftreten?
Bohn: Bis auf den zweiten Keyboarder. Damals spielte Manfred Rürup, einer
meiner langjährigsten Freunde, der heute leider zu sehr in die Geschäfte
seiner Firma Steinberg eingebunden ist. Ansonsten spielen wir in der original
Besetzung: Frank Fischer, George Kochbeck, Thommy Goldschmidt und Bernd Schulze
als zweiter Keyboarder werden dabei sein.
Wir werden weitestgehend auch die damals gebrauchten Instrumente verwenden,
damit es keine Neuinterpretation wird, sondern an die vertrauten Sounds anknüpft.
Natürlich gibt es trotzdem Variationen und einige Überraschungen.
MaHa: Was erwartest du von der Tour?
Bohn: Viel Spaß, Freude am Spielen und eine ganz spezielle Stimmung.
Die Fans werden sich selbst zurückkatapultieren in die Zeit vor 15 Jahren,
was den meisten bestimmt viel bedeuten wird,und auch mich in eine rührende
Situation versetzt.
MaHa: Wie kann man sich die Gestaltung eures Auftrittes vorstellen, gibt
es eine Show?
Bohn: Ich habe diesbezüglich eine Umfrage bei den Fans veranlaßt,
da mir deren Meinung und Erwartungen wichtig war und die meisten haben gesagt,
visuelle Effekte wären ihnen dabei nicht wichtig.
MaHa: Werden wir denn auch den berühmten Song der „Fünf Freunde“,
den du damals selbst gesungen hast, zu hören bekommen?
Bohn: Ja, den werde ich wohl live bringen müssen, allerdings werde ich
Udo Lindenberg einladen, den Song mit mir zusammen zusingen: „Wir halten
zusammen, was immer auch kommt, der Udo und ich, wir sind die besten Freunde,
jaaaaaaaa.“
Das Interview führte Marc Hairapetian