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Elegant im Smoking (Foto: Unversal Music)

"Er war genial, aber kein Buddy!"

Interview mit Sänger Jürgen Drews über Malle und Les Humphries, der heute seinen 80. Geburtstag feiern würde

Von Marc Hairapetian

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Größere Ansicht anzeigenBravo-Boy

Trotz Corona-Krise und dem dadurch bedingten Malle-Ausfall ist Jürgen Drews weiterhin gut im Geschäft. Nach einer "Schockstarre", die einige Monate anhielt, absolviert das ehemalige Mitglied der The Les Humphries Singers und jetzige "König von Mallorca" wieder einen TV-Auftritt nach dem anderen: Bei Florian Silbereisens Live-Sendung "Schlager, Stars und Sterne" intonierte er am 25. Juli vor einigen zugelassenen Gästen in den Kitzbühler Alpen mit seiner Tochter Joelina das Kenny-Rogers/Sheena-Eaton-Duett "We´ve Got Tonight", das auch auf seinem im Oktober erscheinenden Album "Das ultimative Jubiläums-Best-Of" vertreten sein soll. Vorher kommt am 17. August noch sein Buch "Es war alles am besten!" heraus. Wir erwischen den passionierten Banjo-Spieler und Hundefreund, der noch immer "Ein Bett im Kornfeld" (sein Hit des Jahres 1976) zu haben scheint und dessen Stimme ungebrochen voll jugendlichen Elans ist, am Telefon. Sage und schreibe vier Stunden nimmt er sich Zeit für das Gespräch über Mallorca und Les Humphries (eigentlich John Leslie Humphreys ,10. August 1940 in Croydon, London - 26. Dezember 2007 in Basingstoke), dass an dieser Stelle nur gekürzt wiedergeben werden kann.

 Marc Hairapetian: Herr Drews, 1999 wurden Sie und der im letzten Jahr verstorbene Costa Cordalis von Thomas Gottschalk in seiner "Wetten, dass..?"-Sendung als "unsere heimlichen Könige von Mallorca" geadelt. Zementiert haben Sie diesen inoffiziellen Titel dann mit dem von Erich Öxler für Sie geschriebenen Song "Ich in der König von Mallorca". Ist das für Sie heute noch eine Ehrenbezeichnung oder war es immer nur ein Jux?

 Jürgen Drews: Da es bei der seinerzeit in einer Stierkampfarena stattfinden TV-Show Proteste von Tierschützern und Ballermann-Kritikern gab, war die Atmosphäre zunächst durchaus angespannt. Thomas verpasste Costa und mir dann diesen Titel, was das Ganze etwas auflockerte. Als ich Erich Öxlers mir auf den Leib geschriebenes Lied dann im Studio erstmals probeweise anstimmen wollte, sagte meine Frau Ramona aufgebracht zu mir: "Dass willst du doch nicht ernsthaft singen?!" Doch ich ließ mich nicht davon abbringen. Später nahmen wir das berühmt-berüchtigte Video zur Single auf, wo ich mit Königskrone und - Umhang performte. Es steckte schon viel Selbstironie darin, wenn ich am Ende wie einst der Bayern-König Ludwig II. im See abtauche. Natürlich ist es Trash, aber ich habe damit immer gern kokettiert, weil ich mich hier nicht als Jürgen Drews, sondern als Kunstfigur sehe.

 Marc Hairapetian: Was ist Ihre Lieblingserinnerung an Malle?

 Jürgen Drews: 2005 sollte ich, der nie mehr als zehn Kilometer am Stück schaffte, beim TUI Marathon Palma de Mallorca nur anlaufen, habe aber befeuert durch ein im Auto sitzendes Kamerateam und Ramona, die neben mir her radelte, trotz Knöchelverletzung nicht nur den Halbmarathon geschafft, sondern sogar die ganze Strecke in 5 Stunden, 9 Minuten und 54 Sekunden. Das brachte mir einen ehrenvollen vorderen Platz im hinteren Feld der insgesamt 5000 Läufer ein und die Anerkennung von dem ein Jahr zuvor als ungeschlagenen Supermittelgewichts-Box-Weltmeister abgetretenen Sven Ottke, der hier mehr zu kämpfen hatte, als ich.

Größere Ansicht anzeigenJürgen inmitten der The Les Humphries Singers

 Marc Hairapetian: Erfüllt es Sie auch mit Stolz, dass Sie ab den frühen 1970er Jahren Mitglied der mit allein von 1970 bis 1976 mit 48 Millionen verkauften Tonträgern immens erfolgreichen The Les Humphries Singers, eine Art "Vereinte Nationen der Popmusik", waren?

 Jürgen Drews: Auf jeden Fall. Den Begriff "United Nations of Popmusik" ist gut. Das würde ich sofort unterschreiben. Uns ging es um zeitlos gute Musik und vor allem Völkerverständigung. Nach der fürchterlichen Historie mit zwei angezettelten und verlorenen Weltkriegen war es wichtig, dass diese Chor-Gruppe in Deutschland stationiert war. Ein Ausrufezeichen gegen Fremdenfeindlichkeit! Heute wäre sie wegen des bedenkliche Rechtsrucks eigentlich aktueller denn je. Sogar Mick Jagger von den Rolling Stones outete sich mir backstage gegenüber als Fan der The Les Humphries Singers! Ein besseres Lob als von ihm kann es wohl nicht geben. Wir hatten Sänger und Sängerinnen aus den verschiedensten Nationen wie Malcolm Magaron aus St. Lucia, Enry David von den Philippinen oder der spätere Boney.-M-Star Liz Mitchell. Mit ihr, die Jamaikanerin ist und ein ganz zauberhaftes Wesen hat, sowie dem Koreaner Christopher Yim habe ich mich am besten verstanden. Er konnte zwar nicht singen, aber dafür tanzen.

 Marc Hairapetian: Von ihm haben Sie sich wohl auch Ihre legendäre Pirouette abgeschaut?

 Jürgen Drews: Stimmt! Seine war gut, meine hingegen schon immer beschissen. (lacht) Vor allem jetzt im Alter mit 75, wo ich nicht mehr so geschmeidig bin. Aber sie gehört mittlerweile zu mir wie Ramona. Und die Leute wollen sie ja auch gern sehen.

Größere Ansicht anzeigenAktuelle Biografie

 Marc Hairapetian: Wie haben Sie eigentlich den Ende 2007 verstorbenen Bandgründer Les Humphries, der am 10. August seinen 80. Geburtstag feiern würde, kennengelernt?

 Jürgen Drews: Mit meiner Band Die Anderen, der vielleicht ersten echten Boy-Band, in der ich von allen noch am schlechtesten aussah, hatte ich als Leadgitarrist und Sänger häufiger Auftritte im Star-Palast in Kiel, wo ich einige Semester Medizin studierte. Der Star-Palast war fast eine exakte Kopie des Star-Clubs in Hamburg. Hier war ich auch oft zugegen, um einfach nur Livemusik zu hören. Eine britische Band hatte es mir neben Gary Glitter, der sich damals Paul Raven nannte und sogar einmal bei Die Anderen mitsang, besonders angetan: The Summer Set, wo mir an der Hammond-Orgel ein richtig guter Musiker auffiel, der allerdings immer etwas zu laut spielte, weil zwei Marshall-Boxen nicht hinter, sondern vor ihm standen. Nach einem langen Nacht setzte er sich überraschender Weise im Foyer, wo man an Tischen etwas trinken konnte, zu mir. Ich stellte mich auf Englisch vor, lobte sein Spiel, sagte ihm aber, dass es etwas zu laut wäre. Im Gegensatz zu mir, der nur Wasser trank, hatte er schon einen im Kahn und sah mich mit seinen stechenden blauen Augen lange an. Mir war schon mulmig, doch als er aus einer Jackentasche plötzlich ein Klappmesser zog, es aufklickte und dann auf mich richtete, erstarrte ich zur Salzsäule: "You fucking German! Tell me something like this again and I will kill you like the Nazis killed my father!". Ich stammelte eine Entschuldigung und verzog mich im Rückwärtsgang.

 Marc Hairapetian: Das war Ihre erste Begegnung mit Les Humphries?

 Jürgen Drews: Ja, so wahr ich jetzt mit Ihnen telefoniere!

 Marc Hairapetian: Aber wie stießen Sie zu den The Les Humphries Singers?

Größere Ansicht anzeigenLes Humphries (1940 - 2007, Archive Spirit Hairapetian)

 Jürgen Drews: Jetzt kommt die andere Seite von Les Humphries: Am nächsten Tag kam er im Star-Palast, wo wir selbst spielen mussten, nach unserem Konzert auf mich zu und entschuldigte sich bei mir. Er hätte durch den Tod seines Vaters, der wirklich von den Nazis ermordet wurde, ein Trauma, dass manchmal in ihm hochkäme, wenn er nach einem Auftritt etwas getrunken hätte. Ich akzeptierte sein "sorry" natürlich. Wenig später rief er mich an und lud mich in seine Wohnung in der Herbertstraße auf der Reeperbahn - ein, wo er schon erste Produktionen machte und mich für ein neues Projekt als Sänger gewinnen wollte: The Les Humphries Singers, die Traditionals, Spirituals ,Evergreens und eigene Kompositionen nach Vorbild der Edwin Hawkins Singers und "Hair" zum Besten gaben. Einige unsere Mitglieder wie Liz Mitchell oder Malcolm Magoran waren zuvor auch in der deutschen Besetzung des Hippie-Musicals gewesen. Der Rest ist Geschichte mit all seinen Erfolgen wie der ersten Goldenen Schallplatte 1970 in Holland für "To My Father´s House", dem ersten Nummer Eins Hit 1973 in Deutschland mit "Mama Loo", ausverkauften Konzerthallen und Fernsehshows, dem Klamauk-Gangster-Film "Es knallt und die Engel singen" aus dem Jahr 1974 - und dem Debakel beim Eurovision Song Contest 1976 in Den Haag, wo wir mit dem von Ralph Siegel komponierten "Sing Sang Song" nur 15. von 18 Teilnehmern wurden. Les Humphries setzte sich wegen Steuerschulden dann nach England ab und löste die Band bis zur ersten Reunion 1991 auf.

 Marc Hairapetian: War Les Humphries für Sie über die Zusammenarbeit hinaus ein Freund?

 Jürgen Drews: Nein, ein Buddy, mit dem man über alles reden konnte, war er nicht. Er richtete immer eine Glaswand zwischen uns auf. Bestenfalls war es ein freundschaftlicher Kontakt. Er konnte sehr autoritär sein, war vorher in der Navy Master Band Sergeant und duldete als Chorleiter jenseits der ausgelassenen Aufritte von uns keine Undiszipliniertheiten. Manchmal, wenn er am Ende eines Konzerts schon an seinem Flügel sitzend etwas getrunken hatte, konnte er aggressiv sein. So stand er mal unvermittelt auf und trat einem Störenfried, der unbemerkt von den Securities die Bühne erklimmen wollte, voll auf die Hände, dass das Blut nur so spritzte. Und dann setzte er sich wieder und spielte ungerührt weiter! Mein im Publikum befindlicher Vater, der Arzt war, behandelte den Verletzten, Les entschuldigte sich später mal wieder und der Mann erstattete wie durch ein Wunder keine Anzeige. Heute undenkbar! Doch Les hatte wie gesagt auch seine guten Seiten - und er war wirklich ein genialer Musiker, Komponist, Arrangeur und Produzent, der zudem noch singen konnte!

 Marc Hairapetian: Noch heute geben Sie bei ihren Solokonzerten Songs von Les Humphries zum Besten.

 Jürgen Drews: Wenn ich die jungen Leute, die zum Glück auch zahlreich auf meinen Konzerten vertreten sind, frage, ob sie The Les Humphries Singers kennen, höre ich ein kollektives "Nein!". Wenn ich dann aber sage "Diese Songs habt ihr bestimmt schon gehört!" und "Mama Lou" oder "Mexico" ansinge, grölen alle wie verrückt mit! Les Humphries habe ich es zu verdanken, dass ich immer noch auf der Bühne stehe und wir heute auch dieses Gespräch führen!

Marc Hairapetian hat Mitte der 1990er Jahre als DJ im Berliner Club Nevada Exklusiv mit Stücken wie "Rock My Soul" oder "We´ll Fly You Through The Promised Land" von The Les Humphries Singers ein junges Publikum zum Tanzen gebracht. Das Interview mit Jürgen Drews führte er für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.de / www.spirit-fanzine.com

Les Humphries Singers - Rock my soul 1971