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Peter Ehret (1954 - 1981) Foto: Archiv Birgit Zamulo / www.facebook.com/birgitzamulo

Ehret Peter!

1981 beging mit nur 26 Jahren der Schauspieler und Synchronsprecher Peter Ehret Suizid. Ein exklusives Spirit-Ein-Lächeln-im-Sturm-Interview über den Ausnahmeakteur mit seiner Witwe Birgit Zamulo.

Von Marc Hairapetian

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Sein elegant-sympathisches Timbre eroberte Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre Kinderherzen im Sturm und begeisterte auch Erwachsene, doch das dazugehörige Gesicht ist bis heute den meisten unbekannt. Dabei war es ebenfalls sehr ansprechend. Peter Ehret (24. Dezember 1954 in München - 21. Juni 1981 ebenda) war Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre ein großer Synchronstar als deutsche Stimme von Robin Williams in der aberwitzigen Science-Fiction-Sitcom "Mork vom Ork" (1978 - 1981). Er lieh auch Eric Hieu Do in der TV-Serie "Mein Freund Winnetou" (1979) und Graham Faulkner in Franco Zeffirellis "Bruder Sonne, Schwester Mond" (1972), einem Film, der die Jugendjahre von Franz von Assisi (1181/82 - 1226) in einer Weise schildert, die das Lebensgefühl und die Sehnsüchte der Hippies zum Ausdruck bringt, seine Stimme. Peter Ehret selbst war kein Heiliger, aber einer der talentiertesten Schauspieler seiner Generation. Äußerlich James Dean und Lou Reed ähnelnd, gab er an den Theatern Münchens häufig den jugendlichen Liebhaber. Am meisten für Furore sorgte er allerdings als Erzähler der deutschen Fassung der Zeichentrickserie "Tom und Jerry". Die aus dem Off synchronisierten, für das Fernsehen zusammengeschnittenen Folgen der US-Kinokurzfilme, die in gereimter Form das Geschehene zumeist aus der Sicht der Maus Jerry schildern und sich über den sie jagenden Hauskater Tom lustig machen, sind übrigens eine deutsche Besonderheit und kommen so im Original gar nicht vor! Ehret sprach mit jugendlichem Elan die schelmischen Texte von Siegfried Rabe, der auch die Liedzeilen für den von Udo Jürgens gesungenen Vorspann-Titelsong "Vielen Dank für die Blumen" verfasste, und trug somit ganz entscheidend zum TV-Erfolg bei. Auch das Privatleben des mit Drogen experimentierenden Akteurs verlief turbulent: Gleich zweimal ging er mit der Wiener Theaterschauspielerin Birgit Zamulo (auch bekannt als Birgit Fröhlich; geborene Birgit Eckermann), die zuvor mit Bernd Zamulo, dem Bassisten und Sänger der Beat-Band The Lords, verheiratet war und aus der Beziehung mit dem (Musical-)Sänger, Schauspieler und Moderator Ron Williams ("Hair") die gemeinsame Tochter Ariane Roth hat, den Bund der Ehe ein. Getrieben von Todessehnsucht setzte der Ausnahmekünstler seinem Leben mit nur 26 Jahren selbst ein Ende. Auf dem Münchner Ostfriedhof fand Peter Ehret seine letzte Ruhestätte.
 Die Tragik des Schicksals wollte es so, dass Robin Williams 33 Jahre später ebenfalls Suizid verübte und zwei Monate darauf die nach Ehrets Ableben deutsche Feststimme von Williams ebenfalls für immer verstummte. Peer Augustinski starb allerdings eines natürlichen Todes.
 Nachdem der ruhelose Spirit im letzten Jahr wieder einmal eine Wiederholung von "Tom und Jerry" gesehen und gehört hatte, fragte er sich, wem eigentlich die Stimme des wunderbaren, leicht süffisanten Erzählers gehört. Die Internet-Recherche ergab zwar schnell Peter Ehret, doch Informationen über sein Leben waren nur sehr spärlich zu finden.
 "Der Zufall ist der Schnittpunkt mehrerer Notwendigkeiten" hat der polnische Aphoristiker Stanislaw Jerzy Lec einmal geschrieben. Wie dem auch sei. Kurze Zeit später ging eine Peter-Ehret-Fanpage bei Facebook online, auf der einige seltene Fotos des gewinnend lächelnden "Münchner (Christ)Kindls", das Heiligabend geboren wurde, zu bewundern sind. Als Betreiberin der Site entpuppte sich seine Witwe Birgit Zamulo. Sie war zu einem exklusiven Interview über Peter Ehret mit Spirit - Ein Lächeln im Sturm bereit, das endlich etwas Licht ins Dunkel bringt.


Größere Ansicht anzeigen Peter Ehret war der deutsche Synchronsprecher von Robin Williams in "Mork vom Ork" (Foto: CBS)

 Marc Hairapetian: Wie haben Sie Peter Ehret kennengelernt?

 Birgit Zamulo: Wir wurden von Peter Goldbaum an das Münchner Theater am Karlstor engagiert für das Kinderstück "Verschwörung im Gemüsegarten". Er spielte den Glühwurm, ich war die Made. Mein erster Satz zu ihm auf der Bühne war: "Ich führe Sie, mein Herr!". An sein Hereinkommen erinnere ich mich noch so gut. Er kam mit seiner damaligen Freundin Ellen Umlauf. Das hat mich schon umgehauen, denn er war 20 Jahre alt, sie sicher schon 50. Mein erster Gedanke war: Oh Gott. Mit dem könnte ich nie eine Beziehung haben.
 Dann folgten wunderbare Proben und Einladungen. Wir waren auf einer Party bei Heiner Lauterbach, der dann sein enger Freund wurde. Peter umschwärmte mich mit Kniefällen und Liebesbezeugungen. Und dann wurden wir ein Liebespaar.

 Marc Hairapetian: Äußerlich ähnelte er James Dean und dem jungen Lou Reed. Peter Ehret hatte ein sehr einnehmendes Timbre, das ihn als Schauspieler auch für Synchronarbeiten und Hörspiele prädestinierte. Wie würden Sie ihn charakterisieren? Wie war er als Künstler? Und wie war der Mensch Peter Ehret?

 Birgit Zamulo: Peter war sicher so ein wilder widersprüchlicher Schauspieler wie James Dean es war. Er war nie mit sich zufrieden, war zornig und liebend, zärtlich und grausam. Das konnte in Sekundenschnelle wechseln. Seine Stimme verhalf ihm zu wunderbaren Synchronarbeiten. Er wurde von den Regisseuren wie Eberhard Storeck geschätzt und immer wieder vor das Mikro geholt. Als Schauspieler auf der Bühne war er ein Vulkan. Präzise und mit ungeheurer Präsenz. Er hat einige Franz-Xaver- Kroetz- Uraufführungen am "Modernen Theater" in München gespielt. (u. a. "Dolomitenstadt Lienz"). Auch mit Volker Prechtel arbeitete er am "Modernen Theater", der dann im Film "Der Name der Rose" spielte und leider schon 1997 verstorben ist.
 Ferner spielte Peter am Theater mit Pia Hänggi und Horst Sachtleben, außerdem in Bochum in einem modernen Stück, an das ich mich nicht mehr erinnere sowie am Residenztheater München. Der Mensch Peter Ehret war voller Brüche und hatte immer eine große Todessehnsucht. Er war intelligent und schwierig.

 Marc Hairapetian: Er starb so jung. Die Nachwelt kennt heute eigentlich nur noch als Erzähler in "Tom und Jerry" und seine Synchronisation von Robin Williams in "Mork vom Ork" beziehungsweise die des Eric Do Hien in "Mein Freund Winnetou". Machte ihm das Synchronisieren Spaß oder war es nur ein Broterwerb für ihn?

 Birgit Zamulo: Das Sprechen wurde auch eine Leidenschaft. Er war mit seiner ganzen Phantasie und Seele in den Sprechrollen zu finden. Die Regisseure holten ihn immer wieder.

 Marc Hairapetian: Sie spielten mit ihm in den Theaterinszenierungen von "Tom Sawyer und Huckleberry Finn" und "Weh dem, der lügt". Welche Erinnerung haben Sie an die Inszenierung?

 Birgit Zamulo: Wir spielten gemeinsam am "Theater am Karlstor" in München und am "Münchner Theater für Kinder" und der "Tribüne" in München. Bei "Tom Sawyer" war ich sein Kumpel Benny und eifersüchtig auf seine/Toms Freundin Becky. In "Weh dem, der lügt" hatte ich große Probleme mit unserer Regisseurin Ursula Zajonc, die total in ihn vernarrt war und mich mit Missachtung strafte. Er half mir aber, so gut es ging. Dann bekam ich eine Rolle neben Harald Juhnke, der mich nach Berlin holen wollte zu "Hokuspokus". Peter verbat es mir. Ich blieb in München.

 Marc Hairapetian: Peter Ehret wirkte häufig in Produktionen für Kinder und Jugendliche mit. Hatte er selbst ein im positiven Sinn kindliches Gemüt und wollte er selbst Kinder haben?

 Birgit Zamulo: Kindlich war er eigentlich nicht, abgesehen von seiner enormen Spielfreude. Er liebte meine Tochter Ariane, die damals gerade noch ein Baby war.

 Marc Hairapetian: Hatte er auch Kontakte zu Film und Fernsehen?

 Birgit Zamulo: Ja, er hat in einer Fernsehserie mitgespielt, "Block 7". Da war er ein Sträfling. Sicher hat er auch andere Filmarbeiten gemacht, doch daran erinnere ich mich leider nicht mehr. Damals bekam man ja noch kein Video, geschweige denn eine DVD von seiner Arbeit. Er hat nie mit seinen Erfolgen geprotzt oder sich darauf ausgeruht.

 Marc Hairapetian: Was waren seine künstlerischen Vorbilder?

Größere Ansicht anzeigen Peter Ehret war auch der erste deutsche Erzähler von "Tom und Jerry" (MGM)

 Birgit Zamulo: Künstlerische Vorbilder waren Regisseure wie Horst Sachtleben. Ach ja, er hat auch bei Marianne Sägebrecht und ihrem Zirkus in München gespielt. Da parodierte er Heinz Rühmann als Teufel. Doch er war zu extrem, um andere Schauspieler als Vorbild zu haben, glaube ich.

 Marc Hairapetian: Gab es einen alternativen Plan in seinem Leben - etwas, dass er machen wollte, was mit dem Schauspielerberuf nichts zu tun hatte?

 Birgit Zamulo: Ja, er war auch ein wunderbarer Grafiker. Seine Zeichnungen zeigten immer wieder den Tod in vielen Gestalten.

 Marc Hairapetian: Gestatten Sie die Frage: Warum haben Sie gleich zweimal geheiratet?

 Birgit Zamulo: Ich habe mich scheiden lassen, da Peter große Probleme mit Drogen bekam. Ich konnte ihm dabei nicht zusehen. Er hatte dann viele Freundinnen und wir ließen uns scheiden. Geliebt habe ich ihn aber damals immer noch. Dann machte er mir einen wunderbaren Heiratsantrag mit Kniefall und Rosen. Wir heirateten wieder in der Mandelstraße in München. Sein Kollege Martin Semmelrogge gratulierte. Er war auch zufällig im Standesamt.

 Marc Hairapetian: Peter Ehret ist am Heiligabend geboren. War er eigentlich christlich oder sah er das Geburtsdatum nur als eine Laune des Zufalls?

Größere Ansicht anzeigen Und er synchronisierte den Franco-Vietnamesen Eric Hieu Do als Indianer Tashunko in "Mein Freund Winnetou". Hier das Europa-Hörspiel-LP-Cover der Folge 4 - ebenfalls mit Ehrets Stimme.

 Birgit Zamulo: Nein, christlich war er nicht. Doch es gab ein Plakat für eine Vorstellung, auf dem stand: Ehret Peter. Der Intendant sah das als Zeichen.

 Marc Hairapetian: Ein sehr trauriges Thema: Im Alter von nur 26 Jahren verübte er Suizid. Können Sie etwas über die Ursache(n) sagen und Licht ins Dunkel bringen?

 Birgit Zamulo: Er konnte trotz Entzug nicht von den Drogen lassen. Da hat er sich ein (Herz-)Krampfmitttel gespritzt.

 Marc Hairapetian: "Mork vom Ork" ebnete den Weg Robin Williams zur Weltkarriere. Gefiel ihm der Ausnahmekünstler und haben sich die beiden vielleicht sogar getroffen?

 Birgit Zamulo-Fröhlich: Nein, sie haben sich nicht getroffen. Er hat die Rolle so gut gesprochen, dass es jetzt noch im Netz Anfragen gibt.

 Marc Hairapetian: Erschreckend: Beide Künstler - Ehret wie Williams - verübten Selbstmord. Sehen Sie weitere Parallelen zwischen den beiden?

 Birgit Zamulo: Sicher die Depression und vielleicht Todessehnsucht.

 Marc Hairapetian: ."Die Nachwelt flicht dem Mimen keine Kränze" - oder im Fall von Peter Ehret vielleicht doch? Erinnern sich noch Weggefährten und Kollegen häufig seiner?

 Birgit Zamulo: Ja, Ekkehardt Belle, Inez Günter liken seine FB-Seite. Ob Heiner Lauterbach noch an seinen Freund denkt, weiß ich nicht.

 Marc Hairapetian: Da müsste man doch mal bei Lauterbach nachhaken. Eine hypothetische Frage: Gesetzt den Fall Peter Ehret würde noch leben, wo stünde er als Schauspieler heute?

 Birgit Zamulo: Sicher in der gleichen Liga wie Heiner Lauterbach.

Das Interview mit Birgit Zamulo-Fröhlich führte Marc Hairapetian für Spirit - Ein Lächeln im Sturm www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.com am 4. April 2016

www.gedenkseiten.de/peter-ehret-synchronsprecher/bilder/#
Das Foto von Peter Ehret stammt aus dem Archiv von Birgit Zamulo.