Liebe in Zeiten des Krieges
Zum Tod der Burgtheater-Schauspielerin Elisabeth Kallina, die die erste Ehefrau von Oskar Werner war
Von Marc Hairapetian
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Liebe in Zeiten des Krieges
Zum Tod der Burgtheater-Schauspielerin Elisabeth Kallina, die die erste Ehefrau von Oskar Werner war
Von Marc Hairapetian
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Die Liebesgeschichte zwischen der Kammerschauspielerin Elisabeth Kallina,
die am 2. September 94jährig in Wien verstarb, und ihrem Bühnenkollegen
Oskar Werner ist selbst innerhalb der an Triumphen und Tragödien reichen
Welt des Theaters eine außergewöhnliche: Erst 18jährig spielt
das Ausnahmetalent Oskar Werner 1941 – unter den strengen Augen von
Lothar Müthel - für die Rolle des Guiliano Mocenigo in Kolbenheyers
Stück „Heroische Leidenschaften“ am Burgtheater vor. Am Schluss
der Szene beugt er sich mit kindlicher Andacht über die Hand der zwölf
Jahre älteren Elisabeth Kallina, die die „Bianca“ mit sanften
Blick gibt, und nimmt mit seinen Lippen, ihre Handfläche kaum berührend,
eine Perle heraus. Lothar Müthel schweigt – verdächtig lange.
Oskar Werner wagt nicht aufzusehen. Schließlich sagt Müthel in
die Stille: „Sie sind gut. Sie sind sehr gut. Sie sind engagiert.“
Das war nicht nur die (zweite) Geburtsstunde eines Weltstars, der im Theater
(„Hamlet“, „Don Carlos“) und Film („Jules und
Jim“, „Das Narrenschiff“) Weltruhm erlangen sollte, sondern
auch der Beginn einer großen, sich über Grenzen und spätere
Trennung hinwegsetzenden Liebe. Es verwundert nicht, dass Oskar Werner Elisabeth
Ortner-Kallina stilecht auf den Brettern der „Burg“, die für
beide die Welt bedeuten, einen Heiratsantrag macht. Die 1944 vollzogene Ehe
setzt viele in Erstaunen. Zunächst ist da der große Altersunterschied.
Zum zweiten ist Elisabeth Kallina, obwohl katholisch erzogen, „Halbjüdin“.
Ihre Abstammung war auch der Grund, warum sich ihr erster Gatte, der als Dramatiker
befürchtete, dass seine Stücke nach Österreichs Anschluss ans
Dritte Reich nicht mehr aufgeführt würden, von ihr scheiden lassen
hat. Doch dem überzeugten Pazifisten und Nazigegner Werner ist das gleich
- wer liebt hat keine Wahl. Und Elisabeth Kallina, erkennt, dass er bei all
seiner überbordenden Begabung auch ein Verlorener ist, der sie braucht,
um Ruhe und familiäres Glück zu finden. Im gleichen Jahr wird Tochter
Eleonore geboren.
In den letzten Kriegstagen desertiert der zum Kriegsdienst eingezogene Werner,
der später in Filmen immer wieder das „andere Deutschland“
(„Entscheidung vor Morgengrauen“, „Der letzte Akt“)
eindrucksvoll verkörpert, und versteckt sich mit seiner Gattin und dem
Kind im Wiener Wald. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes gelingt dem Schauspielerpaar
eine großartiges Comeback. Mit zwei Mutter-Figuren - als Frau des Meister
Anton in Hebbels "Maria Magdalena" und als Heros` Mutter in Grillparzers
"Des Meeres und der Liebe Wellen" - zog sich Elisabeth Kallina,
die jahrelang alle großen Frauenfiguren der Weltliteratur an der „Burg“
gespielt hat, von der Bühne zurück. Auch nach der Scheidung von
Oskar Werner, der sich im Hollywood der 1950er Jahre in Tyronne Powers Adoptivtochter
Anne verliebt und diese dann auch heiratet, bleibt sie ihm eng verbunden.
So besucht sie ihn mehrmals am Set seiner internationalen Erfolge. Oskar Werners
Sohn Felix, der 1966 geboren wird und aus der Verbindung des Frauenschwarms
mit dem Model Diane Anderson stammt, ist sie eine liebevoller Patentante.
Auch mit Werners letzter Lebensabschnittsgefährtin Antje Weisgerber verbindet
sie eine tiefe Freundschaft. Elisabeth Kallina, die am 9. September unter
großer Anteilnahme der Werner-Familie in Wien zugrabe getragen wurde,
war eine anmutige, fast engelsgleiche Erscheinung, die nicht nur auf der Bühne,
sondern auch im privaten Umgang mit ihrer Liebenswürdigkeit die Menschen
ans Herz rührte.
Marc Hairapetian