Welch eine Melodie !
In memoriam Hans Posegga
( 1917 - 2002 )
Von Marc Hairapetian
Welch eine Melodie !
In memoriam Hans Posegga
( 1917 - 2002 )
Von Marc Hairapetian
Hans Posegga - Gesten eines grossen Mannes
Lieber Hans,
Als knapp Fünfjähriger sah ich zum ersten Mal den ZDF-Adventsvierteiler
„Der Seewolf“. Am meisten begeisterte mich die kraftvoll-bedrohliche
Vor- und Abspannmelodie, die den von Raimund Harmstorf verkörperten darwinistischen
Kapitän Wolf Larsen bestens charakterisierte. Da ich noch nicht lesen
konnte, fragte ich meine Eltern: „Wer schrieb die Musik?“ Die
Antwort lautete: „Der große Hans Posegga.“ Fast 20 Jahre
später durfte ich meinen Lieblingskomponisten, der nicht nur mich mit
seinen Film- und TV-Soundtracks zu „Die Sendung mit der Maus“,
„Cagliostro“, „Zwei Jahre Ferien“, „Lockruf
des Goldes“ und „Tödliches Geheimnis“ durch Kindheit
und Jugend begleitet hatte, bei einem ersten Interview in Berlin endlich persönlich
kennenlernen. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, bei der Du
mir aus Deinem bewegten Leben berichtetest.
Nach einer Ausbildung bei Alfred Cortot in Paris wolltest Du zunächst
Konzertpianist werden, bis Dir Deine überbordende Phantasie keine Wahl
ließ und Dich zum Komponieren förmlich zwang. Die „jungen
Wilden“ des Neuen Deutschen Films entdeckten Dein experimentierfreudiges
Talent. Du gehörtest zu den Unterzeichnern des „Oberhausener Manifests“,
warst einer der ersten, bei dem der Synthesizer in den Partituren neben Streichern,
Bläsern, Flöten und Schlagzeug atmospärische Akzente setzte
und arbeitetest schließlich sogar für Hollywood („Abenteuer
Angola“). Die meisten Deiner Kompostionen waren melancholisch und sehnsuchtsvoll,
aber immer mit einem Silberstreif der Hoffnung am Horizont. Für die Sielmann-Dokumentation
„Galapagos“ (1963) und „Schonzeit für Füchse“
(1966) erhieltest Du Bundesfilmpreise. Als Dein gelungenstes Werk bezeichnetest
Du selber „Lockruf des Goldes“ (1975), indem Du ein nahezu überirdisches
Trompetensolo mit Echoeffekt über den stapfenden Synthierhythmus der
Glücksritter vom Klondike legtest.
Auch als Gelegenheitsdarsteller machtest Du auf Dich aufmerksam: Du spieltest
den Abtreibungsarzt in Peter Schamonis „Es“, obwohl Du Kinder
(vor allem Deine beiden Mädchen) über alles liebtest. Bei „Hoftheater
mit Kasper und René“ scherztest Du als „Mann am Klavier“
mit den Hohensteiner Holzpuppen. Heute tanzt meine bald dreijährige Tochter
Laetitia-Ribana zu Deinen Kasper-Melodien. Noch im fortgerückten Alter
warst Du voller Vitalität und Pläne. Parallel schriebst Du an einer
großen Oper und diversen TV-Musiken. Deshalb kam die Nachricht Deines
Todes für Deine immer noch zahlreichen Anhänger überraschend.
Der deutsche Film verliert mit Dir einen seiner besten Komponisten - und ich
einen väterlichen Freund.
Danke für die schöne Musik, Dein
Marc Hairapetian
Der am 31. Januar 1917 in Berlin geborene Film- und Fernsehkomponist Hans
Posegga verstarb am 19. Mai 2002 in Wien.
Hans Posegga
Fast immer steht der Filmmusikkomponist bescheiden hinter seinem Werk. So
verhielt es sich auch mit Hans Posegga, der zu den vielseitigsten seiner Zunft
gehörte. Zum sensationellen Erfolg des ZDF-Vierteilers „Der Seewolf“
(1970/71) trug neben dem rohe Kartoffeln zerquetschenden Raimund Harmstorf
vor allem Poseggas brachial-bedrohliche Titelmelodie bei: Sie charakterisiert
treffend den darwinistischen Kapitän Larsen und bildet einen gelungenen
Kontrast zu den eher romantisch-geheimnisvoll anmutenden musikalischen Motiven
der sogar im Kino gezeigten Jack-London-Adaption.
Der am 31. Januar 1917 in Berlin geborene Posegga schrieb schon in seiner
Jugend Kammermusik und Lieder im klassischen Stil. Nach der Ausbildung bei
Alfred Cortot in Paris wollte er zunächst Konzertpianist werden, bis
er sich dann „nur“ noch dem Komponieren zuwandte. Die „jungen
Wilden“ des Neuen Deutschen Films entdeckten sein experimentierfreudiges
Talent. Posegga gehörte zu den Unterzeichnern des „Oberhausener
Manifests“, war einer der ersten, bei dem der Synthesizer in den Partituren
neben Streichern, Bläsern, Flöten und Schlagzeug atmosphärische
Akzente setzte und arbeitete schließlich sogar für Hollywood („Abenteuer
Angola“). Die meisten seiner Kompostionen klangen melancholisch und
sehnsuchtsvoll, besaßen aber immer einem Silberstreif der Hoffnung am
Horizont. Für die Sielmann-Dokumentation „Galapagos“ (1963)
und die walzertrunkene „Schonzeit für Füchse“ (1966)
erhielt er Bundesfilmpreise. In den 70er Jahren erlangte er mit den TV-Soundtracks
zu „Die Sendung mit der Maus“, „Cagliostro“, „Die
Stadtschreiber“, „Zwei Jahre Ferien“ und „Tödliches
Geheimnis“ große Popularität. Unvergeßlich aus dieser
Epoche vor allem das Titelthema von „Lockruf des Goldes“ (1975),
indem Posegga ein nahezu überirdisches Trompetensolo mit Echoeffekt über
den stapfenden Synthierhythmus der Glücksritter vom Klondike legte. Zu
seinen Hauptwerken zählen ferner die symphonische Dichtung „Zeitbilder“
(1968), das Rockoratorium „Christ und Antichrist“ (1978) und die
neukomponierte Musik zu Murnaus rekonstruiertem Stummfilmklassiker „Nosferatu
- Eine Symphonie des Grauens“.
Auch als Gelegenheitsdarsteller machte der am Starnberger See lebende Wahlbayer
auf sich aufmerksam: So spielte er den Abtreibungsarzt in Peter Schamonis
„Es“. In der Kindersendung „Hoftheater mit Kasper und René“
war der zweifache Vater als „Mann am Klavier“ der beste Freund
der Hohensteiner Holzpuppen. Noch im vorgerückten Alter steckte Posegga
voller Schöpferkraft, schrieb parallel an einer Oper und diversen TV-Musiken.
Am 19. Mai verstarb Hans Posegga 85jährig in Wien.
Marc Hairapetian