Rache als Motiv(ation)


Der Schauspieler und Produzent Michael Douglas wird 60

Von Marc Hairapetian


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„Es war nicht immer einfach, der Sohn eines Vaters zu sein, der in allem überlebensgroß war. Als kleiner Junge sah ich meinem Vater als Gladiator, der ans Kreuz genagelt wurde, oder als Künstler, der sich das Ohr abschnitt. Kurz, immer als jemanden, der übermenschliche Dinge vollbrachte. Spartakus, van Gogh – wer kann da mithalten? Es hat lange gedauert, bis ich mich zu meinem Ich durchgekämpft habe.“ (Michael Douglas)

Ein Mann sieht rot. Dabei hatte sich William Foster den heißesten Tag des Jahres ganz anders vorgestellt. Doch nachdem der ehemalige Ingenieur eines Rüstungsunternehmens stundenlang in Los Angeles im Stau gesessen hat, lässt er nach einer Panikattacke sein Auto – das die Nummer „D-FENS“ (Verteidigung) trägt und damit seine Abwehrhaltung gegenüber einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft vorwegnimmt – stehen, schlägt sich in die Büsche und setzt seinen Weg zu Fuß fort. Wie einst E.T. will er „nach Hause“, nur ist er kein gestrandeter Außerirdischer, sondern ein korrekt gekleideter Endvierziger mit Bürstenhaarschnitt, Brille und Aktenkoffer, der sich in der modernen Welt nicht mehr zurecht findet. Sein langer Marsch durch den Moloch der Großstadt wird zum Amoklauf durch den amerikanischen Albtraum. An diesem Tag wird Foster zu „D-FENS“, der seinen persönlichen Rachefeldzug gegen das US-Wirtschaftssystem, gegen Kriminalität, Chaos, Profitgier und Herzlosigkeit führt.
Michael Douglas, dem bis in die späten 1980er-Jahre das Klischee des ewigen Sunnyboys anhaftete, spielte in Joel Schumachers „Falling Down – Ein ganz normaler Tag“ (1993) einen Durchschnittsbürger am Rande des Nervenzusammenbruchs, der miterleben musste, wie seine Ideale und Werte im Wandel der Zeiten Bankrott erklärten. Vielleicht war dieser William Foster schon immer ein latenter Rassist, vielleicht ist er es irgendwann geworden; jedenfalls rastet er aus, als ihm ein südkoreanischer Lebensmittelhändler kein Geld fürs Telefon wechseln will. Dient ihm zunächst ein Baseballschläger als Waffe, ist er am Ende selbst eine lebendige Bombe, die gegen alles wütet, was nicht ins eigene Weltbild passt – Scheidung, Inflation, Kündigung, Unhöflichkeit, Umweltschäden und Betrug, eben der ganze Frust im Alltags-Wahnsinn. Dabei wollte der von Douglas beklemmend wirklichkeitsnah verkörperte Bill Foster nur seine Tochter Adele zu ihrem fünften Geburtstag besuchen. Doch seine Ex-Frau erklärt ihm, dass er nicht willkommen sei und nicht einmal mehr das Recht habe, sie ohne weiteres zu sehen. „Doch heute ist ihr Geburtstag!“, hämmert es immer wieder in Fosters Schädel – und er lässt sich nicht mehr aufhalten. Die so genannte schweigende Mehrheit schweigt nicht länger und zeigt sich in ihrer ganzen Gefährlichkeit.

Ein Spätzünder

Bei aller Schwarz-Weiß-Zeichnung gelang Schumacher mit „Falling Down“ ein irritierendes, zuweilen abstoßendes, stets aber packendes Beispiel dafür, wie Gewalt aufbrechen kann. Michael Douglas schießt sich nicht wie einst Charles Bronson durch ein zweistündiges Blutgemetzel, sondern ist jemand, der urplötzlich durchdreht, weil er in allem und jedem einen Angriff auf sich selbst sieht. Blindwütig, aber zugleich auch verängstigt schlägt er um sich, erteilt einer Streit suchenden Latino-Bande eine harte Lektion, lässt sich später aber dennoch nicht vor den Karren eines Waffenhändlers und Neonazis spannen. Bei all seinen Berserkerattacken bewahrt er sich paradoxerweise stets einen Hauch von Sensibilität. Diesen schwierigen Spagat meistert Douglas bravourös, ja bisweilen anrührend, sodass die schwarze Komödie am Ende zur Tragödie wird, die in einen klassischen Showdown mündet. „Falling Down“, den Quentin Tarantino als Inspirationsquelle für „Jackie Brown“ nannte und den die Coen-Brüder in „Fargo“ zitierten, ist dank Douglas ein aufrüttelndes Porträt der amerikanischen Mittelklasse samt ihrer Ängste und Neurosen. Es ist ohnehin zumeist nicht das strahlend-patriotische „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, dem man in Douglas’ Filmen begegnet; wenn er glamouröse Karrieristen wie den skrupellosen Börsenhai in Oliver Stones „Wall Street“ (1987) oder den selbstgefälligen Banker in David Finchers „The Game“ (1997) spielt, dann treten die Schattenseiten nicht nur bei Nacht zutage. Seit fast zwei Jahrzehnten verkörpert Douglas einen amerikanische Supermann-Verschnitt in der Krise, aus der er sich, nicht ohne Blessuren, immer wieder herauswindet, und sei es durch einen spektakulären Leinwandtod.
Auch in Interviews ist sein Auftritt filmreif. Sein Lächeln wirkt nicht aufgesetzt, es gehört zu jemandem, der nicht mit sich selbst auf den Kriegsfuß zu stehen scheint. Angesprochen auf seinen relativ späten Ruhm, wird er ernst: „Ich war schon immer ein Spätzünder. Früher hatte ich großes Lampenfieber. Ich bin kein geborener Schauspieler und konnte mich eigentlich nie wirklich entspannen. Das habe ich erst bei den Dreharbeiten zu ‚Die Straßen von San Francisco’ gelernt. Jedes Jahr acht Monate drehen, insgesamt über vier Jahre, da verliert man langsam die Angst.“ Hinzu kam der Druck, immer nur als der Sohn des großen Kirk Douglas zu gelten. Als Michael, der mit zweitem Vornamen ebenfalls Kirk heißt, am 25.9.1944 in New Brunswick in New Jersey geboren wurde, war sein russisch-jüdischer Vater noch auf dem Weg zum (Hollywood-)Ruhm. Kirk Douglas drehte wie ein Besessener, mitunter vier Filme im Jahr. Daran zerbrach die Ehe mit der Schauspielerkollegin Diana Darrid. Michael wuchs in New York, Los Angeles und Westport/Connecticut auf; sein Bruder und „bester Freund“ Joel wurde später ebenfalls Produzent, die Halbbrüder (aus der zweiten Ehe des Vaters) Peter und der kürzlich verstorbene Eric machten als Schriftsteller und Schauspieler bescheidene Karrieren. Erste Kontakte zum Filmgeschäft kamen durch den Vater zustande, der den Sechsjährigen in einem Western als Indianerjungen vor die Kamera holte. Mit 16 erhielt Michael Douglas einen Job als Laufbursche am Set von „Spartacus“ (1960). Danach wollte er sich dem Bannkreis des schier übermächtigen Vaters entziehen, versuchte sich u.a. bis zu einem mittelschweren Unfall als Formel-3-Rennfahrer. Er studierte Kunstgeschichte, Englisch und Philosophie an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara und belegte Kurse in Schauspiel und Dramaturgie, wobei er diverse Auszeichnungen erhielt. In den ersten Reihen saß stets sein stolzer Vater, der freilich 1976, als der von Michael Douglas produzierte Film „Einer flog über das Kuckucksnest“ den „Oscar“ erhielt, die Verleihung boykottierte. Schließlich war es sein lange gehegter Wunschtraum, jene Rolle, die er am Broadway spielte, auch in der Kinofassung zu übernehmen. In einem Anfall von Schwäche (oder übergroßer Vaterliebe) trat er die Verfilmungsrechte an Ken Keseys Roman über Normalität und Wahnsinn in einer staatlichen Heilanstalt an den bis dato nur mäßig erfolgreichen Sohn ab. Es war Ironie des Schicksals, dass gerade ein Film, in dem Michael Douglas nicht darstellerisch, sondern als Produzent mitwirkte, seiner Laufbahn als Leinwandheld einen entscheidenden Schub gab.
Vorher spielte er – bis auf sein eigentliches Filmdebüt „Hail, Hero“ (1969) – fast ausschließlich Nebenrollen, die er mit viel Energie und Charme ausfüllte, beispielsweise in 102 Folgen als Inspektor Steve Heller in der Krimiserie „Die Straßen von San Francisco“ (1972-75). Von Hauptdarsteller Karl Malden lernte er „eine ganze Menge, besonders Disziplin und Ausdauer“. Nach seinem Ausstieg aus der Serie machte er sich an den Aufbau der eigenen Produktionsfirma „Big Stick“. Der Siegeszug von „Einer flog über Kuckuchsnest“ (Regie: Milos Forman) machte ihn mit 31 Jahren zum Multimillionär und erinnerte Hollywood an den Schauspieler Michael Douglas. Mit dem (von ihm ebenfalls produzierten) atomkritischen Thriller „Das China Syndrom“ (1978) heimste er dann auch als Akteur hervorragende Besprechungen ein; und mit den Abenteuer-Persiflagen „Jagd nach dem grünen Diamanten“ (1984) und „Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil“ (1985) etablierte er sich in der finanziellen Oberliga der US-Stars. Nun ging es Schlag auf Schlag: In Adrian Lynes „Eine verhängnisvolle Affäre“ (1987) lieferte sich der mittlerweile teuerste Schauspieler der „Traumfabrik“ als reumütiger Ehebrecher ein Nerven zerfetzendes Duell mit einer besitzergreifenden Psychopathin. Sein Imagewandel als geldgieriger Spekulant Gekko in „Wall Street“ (1987) wurde mit dem „Oscar“ als „bester Hauptdarsteller“ belohnt. In Ridley Scotts Krimi „Black Rain“ (1989) überzeugte er als knallharter Cop. Eine Neuauflage des bewährten Komödianten-Duos Michael Douglas/Kathleen Turner erlebte man in Danny De Vitos furios-zynischem „Der Rosenkrieg“ (1990).

Filme, die etwas zu sagen haben

Paul Verhoevens Erotik-Thriller „Basic Instinkt“ eröffnete 1992 das Festival von Cannes mit einem besonderen Aha-Erlebnis, bei dem Sharon Stone nicht nur aufgrund ihrer sexuellen Reize Douglas, der sich als Polizist in eine Mordverdächtige verliebt, klar an die Wand spielte – 25 Mio. Dollar Gage entschädigten ihn wohl dafür fürstlich. Auch Barry Levinsons „Disclosure – Enthüllung“ (1994) sorgte für Diskussionsstoff: Als leitender Angestellter einer Computerfirma wird Douglas von einer Kollegin bei der Beförderung überrundet und sexuell in die Enge getrieben. Eine seiner besten Leistungen lieferte er 1997 in „The Game“ als vom Leben gelangweilter Banker Nicholas van Orton, der sich auf ein dubioses Spiel einlässt, das sein Leben in ein mörderisches Chaos verwandelt.
Während er in Steven Soderberghs „Traffic“ (2000) gegen die US-Drogenkartelle kämpfte, fand er privat ein „spätes Glück“ mit der britischen Schauspielerin Catherine Zeta-Jones, die er Ende 2000 heiratete. „Aufs Altenteil“ will sich der Workaholic, der nach dem Verkauf des von ihm erbauten Kulturzentrums „Casa Nord“ in Valldemossa an die Regionalregierung der Balearen abwechselnd in Aspen/Colorado, Kalifornien, Irland, Wales sowie auf Mallorca lebt, noch lange nicht zurückziehen. Die Anzahl der Produktionsgesellschaften, denen er vorsteht, ist inzwischen unübersichtlich. Mit Bruder Joel begründete er 2002 die „Stone Group“. Seinen aus erster Ehe stammenden 25-jährigen Sohn Cameron Morell integrierte er in das seit langer Zeit geplante Projekt, einmal gemeinsam mit seinem Vater Kirk vor der Kamera zu stehen: Der eingefleischte Douglas-Clan bietet mit „Es bleibt in der Familie“ (2003) vergnügliche Unterhaltung und eine Prise Lebensweisheit. Demnächst wird Michael Douglas in der Kinoversion von Arthur Millers Bühnenstück „The Ride Down Mt. Morgan“ als Bigamist Lyman Felt agieren, einer weiteren Ehe-Satire. Danach will er sich wieder seinem Lieblingsthema zuwenden, der kritischen Auseinandersetzung mit dem „amerikanischen Traum“: „In Zeiten politischer und sozialer Unrast müssen immer wieder Filme gedreht werden, die prinzipiell etwas zu sagen haben.“ Was genau das sein wird, lässt er noch offen.
Auf seiner Website www.michaeldouglas.com ruft der „demokratische Aktivist“ (Douglas) dazu auf, die „Dontblowit.org“ zu unterstützen, die sich mit der „Nuclear Threat Reduction Campaign“ der Vietnam-Veteranen zusammengeschlossen hat. Douglas ist kein Befürworter des Vietnam-Kriegs, wie es John Wayne war, auch kein Gewehrsammler wie Charlton Heston. Vielmehr sieht er sich als Pazifist, allerdings „nicht uneingeschränkt“. Den US-Angriff auf den Irak hieß er gut, weil er wie viele amerikanische Bürger von der Bush-Administration glauben gemacht wurde, Saddam Hussein verfüge über ein erhebliches Bedrohungspotenzial an Massenvernichtungswaffen. Auch in künstlerischer Hinsicht ist der gesellschaftskritische Geist nicht frei von Widersprüchen und Egoismen, aber gerade das scheint ein Geheimnis seines Erfolgs zu sein: „Ich denke nicht viel über Erfolg oder Misserfolg nach. Viel wichtiger ist mir Rache. Es hört sich blöd an, aber Rache ist so etwas wie meine heimliche Lebensmotivation. Eine Art positive Energie in mir. Den Leuten, die nicht an mich glauben, will ich es zeigen. Der Ärger und die Ablehnung, die ich in den frühen Jahren meiner Karriere als Schauspieler und Produzent erfahren habe, ist für mich Antriebsfeder. Rache bringt mich vorwärts. Nur: Man muss seine Wut, seine Rachegefühle kanalisieren und kontrollieren können. Dann wird daraus Kraft.“ Seinem Vater, dem er nach dessen schwerem Schlaganfall noch näher gekommen ist, muss er sich längst nicht mehr beweisen, im Gegenteil. Das meint sogar der nach wie vor ungebrochen vitale Kirk: „Wenn er so weitermacht, wird es eines Tages über mich heißen, ich sei der Vater des großen Michael Douglas gewesen.“

Marc Hairapetian