Das traurige Ende des deutschen „Fräuleinwunders“
„Narrenschiff“-Star Christiane Schmidtmer gestorben
Von Marc Hairapetian
Zeitweise
wurde sie gar als Nachfolgerin Elke Sommers gehandelt. Doch zum wirklichen
Durchbruch sollte es nicht kommen, obwohl Christiane Schmidtmer als lebens-
und liebeslustige Lizzi Spöckenkieker in Stanley Kramers grandioser Literaturadaption „Ship
of Fools“ („Das Narrenschiff“, USA 1964/65) an der Seite
von Weltstars wie Simone Signoret, Vivian Leigh, Oskar Werner und Lee Marvin
beileibe auch darstellerisch keine schlechte Figur machte. Während in
Katherine Anne Porters allegorischem Roman unnachvollziehbar bleibt, was den
verilen antisemitischen Zeitungsverleger Siegfried Rieber dazu veranlaßt,
in der klapperdürren Bekleidungsverkäuferin aus Hannover das Objekt
seiner Begierde zu sehen, verdreht Schmidtmers üppig-sinnliche „Germania“ ihrem
Filmpartner Jose Ferrer nach allen Regeln der (weiblichen) Kunst den Kopf.
Gekonnt verkörperte sie den Prototyp des berechnend-naiven Luders, das
gedankenlos die Hetzparolen ihres eitlen Geliebten vor dem Wetterleuchten des
Zweiten Weltkriegs nachplappert. Unvergessen, wenn die beiden den übrigen
Deckgästen mit „Heute Abend gehen wir bummeln auf der Reeperbahn“ ein
markiges Ständchen entgegen schmettern.
Ferrer muß auch privat sehr angetan von Christiane Schmidtmer gewesen sein,
schließlich war er es, der die deutsche Antwort auf Anita Ekberg nach dem
ersten gemeinsamen Auftritt in Rolf Hädrichs „Verspätung in Marienborn“ (1963)
an Stanley Kramer empfahl. Mit der deutsch-französischen Koproduktion „Stop
Train 349“ drehte die am 24. Dezember 1939 in Mannheim geborene und in
Heidelberg aufgewachsene Beinahe-Medizinstudentin, die nach ihrer Münchener
Schauspielausbildung Theaterengagements in Bad Kreuznach und Düsseldorf
hatte, einen weiteren Film mit Ferrer. Statt sich für die Anatomie anderer
Leute zu interessieren, gelang es ihr, aus ihrer eigenen das Beste zu machen.
Mit dem „größten Busen des internationalen Films“ ging
sie in die Analen Hollywoods ein. Fast immer bediente man sich ihr stereotyp
als männermordende „Liebesbombe“: ob in dem zugegebenermaßen
charmanten Stewardessen-Lustspiel „Boeing Boeing“ (1965) oder in
B- und C-Movies, darunter die Roy-Black-Schnulze „Unser Doktor ist der
Beste“ sowie Russ Meyers „Fanny Hill“ (1964) und „The
Big Doll House“ (1971). Zu „Playmate“-Ehren kam sie 1966 in
der „Playboy“-März-Ausgabe. Ihren letzten Leinwandauftritt hatte
sie als nymphomanische Klavierlehrerin im dritten Teil der „Eis am Stiel“-Reihe
(1981). Nach einem gescheiterten Theatercomeback Anfang der 80er Jahre an der
Hamburger Komödie zog sich Christiane Schmidtmer mit ihrem Gatten, einem
amerikanischen Luftfahrtingenieur, ins Privatleben zurück. Lediglich für
den Tierschutz engagierte sie sich noch in der Öffentlichkeit. Abwechselnd
wohnte sie in Colorado und Heidelberg. Dort verstarb sie am 13. März 2003
völlig überraschend im Alter von nur 63 Jahren. Ein traurige Ende des
deutschen „Fräuleinwunders“.
Von
Heidelberg nach Hollywood kam Christiane Schmidtmer nicht nur ihrer unbestreitbar
blauen Augen wegen. Auch nicht nur um ihrer blendend weißen Zähne,
der herrlichen blonden Haare und des lieblichen Lächelns willen, sondern
dank anderer unübersehbarer Pluspunkte,die ihr zweifellos vorhandenes
schauspielerisches Talent wahrlich in den Schatten stellten und am besten in
horizontalen Zentimetern umschrieben wurden: 110-82-95 hießen ihre „Traummaße“.
Auch ohne die „Hilfe“ von Schönheitschirurgen etablierte sich
Christiane Schmidtmer in der trotz wirtschaftlicher Krisen immer noch glamourösen „Traumfabrik“ der „swinging
sixties“ als ganz spezielle Variante des deutschen „Fräuleinwunders“.