Mehr als nur die romantische Sexbombe

In memoriam Sibylle Bohn-Halver
(1947 – 2008)

Von Konrad Halver



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Am 10. August 1947 wurde Sibylle Bohn als Tochter von Brigitte und Rolf Bohn, einem Redakteur und Schriftsteller, in Hamburg geboren. Sie hatte eine wohlbehütete Kindheit und Jugend – vielleicht etwas zu wohlbehütet! Denn, während ihre beiden älteren Schwestern Birgit und Susanne kaum irgendwelche Verbote zu erdulden hatten, durfte Sibylle vieles nicht: Eifersüchtig wachte der Vater, der sie abgöttisch liebte, darüber, dass ihm keiner ihrer Schritte entging! Sie durfte nicht mal Radfahren lernen, weil das zu gefährlich war! Auch als Jungs in ihr Leben traten, war der Vater gar nicht amüsiert darüber! Und Männer, die das bildhübsche junge Mädchen auch bald als Freunde hatte, gerieten ihm erst recht zum Greuel!
Seit früher Jugend wollte Sibylle zum Theater, wollte Schauspielerin werden! Vielleicht lag’s daran, dass ihr Elternhaus in Hamburg nur hundert Meter entfernt von Ida Ehres’s Hamburger Kammerspielen entfernt lag. Bald bildeten sich Kontakte zwischen dem Hause Bohn und etlichen Schauspielern der Kammerspiele wie z. B. Gerlach Fiedler oder Gerhard Friedrich. Da konnte es gar nicht ausbleiben, dass die süße Sibylle vom Theaterbazillus infiziert wurde. Mit sechzehn Jahren bereits durfte sie in die Schauspielschule von Hildburg Frese in Hamburg! Da lernte sie sicherlich einiges kennen, unter anderem auch einen jungen Mann namens Konrad Halver, dessen erste große Liebe sie war. Auch Jürgen Pooch, der später an’s Ohnsorg-Theater ging, machte hier ihre Bekanntschaft – sie wurden ein Liebespaar. Konrad, der die Frese-Schule verlassen hatte, war in Tübingen gelandet, um Jura zu studieren! (Was ihn nach einem Semester nicht daran hinderte, nach Stuttgart an Klaus Heidenreich’s Theater der Altstadt als Schauspieler zu gehen!).
Sibylle’s erstes Theaterengagement wurde Heilbronn, wo sie lauter schöne Rollen beim Intendanten Walter Bison bekam, am liebsten als junge Sexbombe, was ihr natürlich nicht ausreichte; aber dafür gab es ja den Spielleiter Georg Hahn, der ihr echtes Talent besser zu goutieren wusste – sie durfte die Vivi Warren in „Frau Warrens Gewerbe“ von Shaw spielen, die wohlerzogene Tochter der etablierten Edelpuff-Mutter. Und feierte hierin ihren ersten schönen Bühnenerfolg, wie dann in etlichen anderen Rollen. Ihr damaliger Weg führte sie auch an’s Ulmer Theater. Schwester Birgit’s Freund Bernd interessierte sich plötzlich mehr für die jüngste Bohntochter. Man heiratete, ließ sich in Stuttgart nieder, bald stellte sich Töchterchen Katharina (Tinka) ein und Sibylle war fürderhin nur noch Ehefrau und Mutter.
Schmerzenden Herzens ließ sie einstweilen die Finger vom Theater. Doch diese Ehe wurde nicht das ganz große Glück. Und Sibylle, die all die Jahre Kontakt zu Konrad behielt, rief ihn eines Abends an. Konrad war in Hamburg in die Nähe ihres Elternhauses gezogen und hatte mit seinem Freund Richard ihrem Vater einen sehr witzigen Besuch abgestattet, worüber der sein Töchterchen prompt telefonisch informierte! Sibylle hatte bei Konrad einen so deprimierten Eindruck gemacht, dass er und sein Freund Richard sich abends in’s Auto setzten, um Sibylle aus Stuttgart zu entführen… Die Geschichte dieser Entführung (in Stammheim wütete der Baader-Meinhoff-Prozess!) würde ein Extrakapitel füllen. Sibylle blieb bei Konrad in Hamburg und nach zwei Jahren heirateten sie. Er setzte sie künftig bei all seinen Hörspielen in den schönsten Rollen ein (wundervollstes Beispiel einer Liebesgeschichte, abenteuerumrankt: „Die Abenteuer des David Balfour“ von Stevenson auf Auditon), und als er die Teldec, seine dritte große Firma nach EUROPA und der BASF, verließ, machte er sie dort zu seiner Nachfolgerin als Produzentin und Regisseurin!
Später, nach schwierigen Jahren fand sie den Weg zur Komödie Winterhuder Fährhaus, wo man sie als Souffleuse (oft auch in der Funktion als Regieassistentin) einsetzte. Bei einem Mittelmeerurlaub mit Konrad auf Kreta war sie wohl mal auf einen Seeigel getreten, die Wunde wollte nicht zuheilen, was all ihre letzten Jahre beinträchtigte: Die Ärzte verordneten strikte Bettruhe, damit die Wunde sich endlich schlösse. Verschiedene Operationen, um mit der plastischen Chirurgie zum Erfolg zu gelangen – vergeblich! Durch das ewige Geliege war sie körperlich seit langem schon geschwächt, musste, um die Fußsohle druckmäßig zu entlasten, sich in der Wohnung mit dem Rollstuhl bewegen… Allmählich schloss sich die vermaledeite Wunde schon fast! Da wird Konrad sie eines morgens, am 24. September 2008, im Badezimmer tot auffinden – sie hatte es nicht mehr geschafft, ihn um Hilfe zu rufen – das Herz…

Konrad Halver

Sibylle Bohn-Halver war auch seit 1991 eine liebe Freundin von Spirit-Ein-Lächeln-im-Sturm-Herausgeber Marc Hairapetian:

Liebe Bylle,
was hatten wir – häufig zusammen mit Konrad und meiner jeweiligen weiblichen Begleitung -im Halverschen Wohnzimmer für nächtelange Diskussionen über Gott, die Welt und vor allem die Schauspielkunst! Oskar Werner fandest Du „erotisch“, Peter Schiff den besseren Hörspiel-Erzähler als Hans Paetsch. Am meisten schwärmtest Du aber für Dein Gesangsidol Evis Presley, nachdem Du sogar eine Deiner Katzen benanntest. In meinen Husky-Labrador Hokis (armenisch: „Meine Seele“) warst Du ganz vernarrt, wenn dieser mit zu Besuchen nach Hamburg kam. Trotz Deines in den letzen Jahren schweren Schicksals nahmst Du auch am Leben der anderen teil. Bei unserem letzten Telefonat kurz vor Deinem für uns alle überraschenden Tod erkundigtest Du Dich ausschließlich nach meinen Belangen. Bylle, ein Großteil meiner Jugend wird für immer untrennbar mit Dir und Konni verbunden sein! Hamburg ist durch Euch zu meinem zweiten Zuhause geworden. Bei Deiner Trauerfeier konnte ich es immer noch nicht begreifen, dass wir Dich später, als wir in Eure Wohnung zurückkehrten, nun nicht mehr antreffen würden. Du warst eine tolle Schauspielerin (im „Stahlnetz“ sahst Du aus wie die junge Bardot!) und Sprecherin (von der romantischen Catriona in Konnis und Deiner persönlich anmutenden Liebesgeschichte „Die Abenteuer des David Balfour“ bis zu der lasziven Dolly Buster, der Du Deine Stimme in diversen Filmen liehst)! Noch mehr aber warst Du eine lebenserfahrene, gute Freundin, die ich vermisse! In liebevoller Erinnerung, Dein Marc Hairapetian mit seiner Seele Hokis