„GENIE IST INTELLIGENZ DER BEGEISTERUNG." FRIEDRICH HEBBEL

Die obenstehende Definition charakterisiert treffend einen Mann, der mehr als eine mulititalentierte Persönlichkeit darstellt, und der an dieser Stelle eigentlich keine einleitenden Worte mehr nötig hat: PETER USTINOV begeistert mit seinem intelligenten Humor seit Jahrzehnten Menschen auf dem gesamten Erdball. Ohne Zweifel ist deram 16. April 1921 in London geborene Erzkomödiant eines der wenigen künstlerischen Universalgenies unserer Zeit.

Von Marc Hairapetian

USTINOV ist Schauspieler, Regisseur, Dramatiker, Erzähler, Conferencier und sogar Zeichner in einer Person. Seine Herkunft ist ebenfalls sehr außergewöhnlich und rechtfertigt den häufig überstrapazierten Begriff „Kosmopolit" (sein momentaner Wohnsitz ist in der Schweiz): Sein Vater KLOP war als deutscher Journalist russischer Abstammung zuerst Korrespondent des Pressebüros WOLF, später Presseattache an der deutschen Botschaft, bis er sich mit Außenminister RIBBENTROP überwarf; seine Mutter, die Bühnenbildnerin und Kostümzeichnerin NADJA BENOIS, hatte sowohl russische, als auch französische, italienische und äthiopische Vorfahren. Als 16jähriger verließ PETER USTINOV die Eliteschule Westminster, um bei MICHEL SAINT-DENIS am Londoner Theater-Studio Schauspieluntericht zunehmen. 1939 gab der im wahrsten Sinne des Wortes schwergewichtige USTINOV (schon bei seiner Geburt wog er fast zwölf Pfund!) sein Debut mit eigenen Sketchen im Player's Club. Danach folgten seine eigenen satirischen Revuen „Diversion" und „Diversion No. 2" sowie erste kleinere Filmrollen.

SIR PETER USTINOV als CaptainVere
in dem Film „Billy Budd"
USTINOVs erstes Schauspiel, das Emigrantenstück „Haus des Kummers", wurde mit beachtlichem Erfolg im Londoner Arts Theatre Club uraufgeführt. Der Zwangsdienst in der britischen Armee (1942-46) warf ürden ausgeprägten Anti-Militaristen paradoxerweise sogar noch förderlich für seine Karriere: Hier traf er mit Größen wie DAVID NIVEN, CAROL REED (Regie bei „TheThird Man") und dem Krimiautor ERIC AMBLER („Topkapi") zusammen. Nach dem II. Weltkrieg setzte sich der rasante Aufstieg USTINOVs fort: "Vice Versa" (1947) und „Private Angelo" (1949, Hauptrolle, Regie, Coproduktion und Drehbuch) waren der schauspielerische Durchbruch. Seine Darstellung des infantil-grausamen Kaisers NERO, der wegen eines Liedes Rom anzünden läßt, in MELVYN LE ROYs überzeugendem Antikepos „Quo vadis?' (USA 1951) machte ihn schließlich weltberühmt. Nie wurde Größenwahnsinn -mit Ausnahme vielleicht ALBIN SKODAs Verkörperung des ADOLF HITLER in G. W. PABST„Der letzte Akt" (Österreich 1955) - eindrucksvoller auf der Leinwand dargestellt. Als Ringmeister in MAX OPHÜLS' exzellenten Cinemascope-Streifen um die schöne Tänzerin „Lola Montes" (Frankreich/Deutschland 1955;
USTINOV zeichnet für das englische Drehbuch verantwörtlich), als „Hund, der Herr Bözzi hieß" („Un angel völö söbre Brooklyn", Spanien/Italien 1957, Regie: LADISLAO VAJDA), als gerissener, aber nicht unsympathischer Sklavenhändler in dem großartigen Monumentalfilm „Spartacus" (USA 1959, Produktion und Hauptrolle: KIRK DOUGLAS, der Regisseur ANTHONY MANN bereits nach wenigen Drehtagen feuerte und durch den damals 31jährigen STANLEY KUBRICK ersetzte, mit dem er bereits bei "„Paths öf Glöry" zusammengearbeitet hatte) oder als zwischen Pflichterfüllung und Gerechtigkeit schwankendem Kapitän Vere in seinem Regie-Meisterwerk „Billy Budd" („Die Verdammten der Meere", GB 1961; als Vorlage diente HERMANN MELVILLEs desillusionierendes Spätwerk) ist PETER USTINOV unvergessen und zu einer Art lebenden Legende geworden. Der zweifache, mit weiteren Auszeichnungen geradezu überhäufte OscarPreisträger (beste Nebenrollen in „Spartacus" und der 1964 von JULES DASSIN inszenierten Gaunerkomödie „Töpkapi"; ferner stehen zwei weitere Academy Awards-Nomierungen zu Buche für den NERO in „Quo Vadis?" und für das beste Original-Drehbuch zu ERIC TILLs 1968 gedrehten Film „Hot Millions") ist von nahezu unerschöpflicher Kreativität - dieses dokumentieren ca. 40 Filme, in denen er mitgespielt hat, acht Regiearbeiten, neun Filmdrehbücher, über 20 Theaterstücke („Romanoff and Juliet", 1956; "„Beethovens Zehnte", 1983, dt. Erstaufführung 1988), diverse Operinszenierungen („Figaros Hochzeit", 1987 in Salzburg und Hamburg), unzählige TV-Specials (hervorragend die Serie „Ustinövs Rußland"), zehn Romane („The Loser", 1960), zahlreiche Erzählungen gen und Novellen (wie z.B. „Der Intrigant", 1989) und die amüsante Biographie „Dear Me" (dt.: „Ach, du meine Güte! - Unordentliche Memoiren", 1978; Neuübersetzung 1990 unter dem Titel „Ich und Ich").
Das Privatleben des Sprachtalents (mindestens sieben Sprachen beherrscht er fließend) verlief einige Zeit ebenfallsreich recht turbulent (aus zwei geschiedenen Ehen gingen drei Töchter und ein Sohn hervor), bis er 1972 die französische Schriftstellerin HELENE DU LAU D'ALLEMANS heiratete. 1990 wurde PETER USTINOV die für einen Künstler seltene Ehre zuteil, von der britibritischen Königin zum Ritter geschlagen zu werden. Fortan darf er in seinem Namen den Titel Sir führen, aber darauf legt der PETER in ihm keinen allzu großen Wert. Seit Jahren ist der geistreiche Plauderer intensiv für UNICEF engagiert. Ohne Gage tritt er auch auf Galas anderer Hilfsorganisationen auf, wie z.B. der WHO öder dem UN-Flüchtlingskommissariat. Ich bin zuversichtlich: Auch in Zukunft werden - gute Gesundheit vörrausgesetzt- weitere „Ustinövitäten" sein zahlreiches Publikum erfreuen, denn in seinem Geist ist der Künstlerjunggeblieben. Sein Ururgroßvater MICHAIL ADRIANOWITSCH wurde wurde schließlich 108 Jahre alt - und das gibt Anlaß zur Hoffnung.

Am 13. 12. des vergangenen Jahres gab PETER USTINOV anläßlich der deutschen Veröffentlichung seines neuesten Romanes „Der alte Mann und Mr. Smith" (Ecön Verlag, Düsseldorf), einerspöttischzeitkritischen Allegorie über Gott und den Teufel, die hierzulande gerade die Bestsellerlisten stürmt, in der überfüllten Literaturabteilung des renömierten Berliner Kaufhauses FNAC eine Signierstunde. Im Anschluß daran gelang es dem SPIRIT ein Exklusiv-Interview mit dem liebenswürdigen Meister der pointierten Anekdote zu führen.

Hommage, Interview und Photos: Marc Hairapetian
Das Ustinov- Interview kann man im Spirit- Fanzine Nummer 16 lesen.
Bestellungen an: abo@spirit-fanzine.de ( 8,00 € inkl. Porto )
Regiebesprechung mit Kirk Douglas während der Dreharbeiten zum Film „Spartacus".