Marc Hairapetian: Grundlage für Ihren Sexratgeber ist Ihre regelmäßige
Kolumne als Briefkastentante für pikante Fragen im Stadtmagazin „Wiener“.
Wie kam es dazu?
Dolly Buster: Die haben mich angeschrieben. Sie planten, nachdem der „Wiener“
in den 1990er Jahren kurze Zeit eingestellt wurde, einen Imagewandel in Richtung
Lifestil und Sexthemen. Da war ich ihnen gerade recht. Es ist übrigens
eine Kolumne, die nicht bezahlt wird. Es sind nicht nur gute Bilder im „Wiener“,
auch journalistisch betrachtet, ist es sehr lustig. Man merkt gleich, dass
es aus Österreich kommt. Die sind einfach härter drauf. Die dortigen
Journalisten haben Charme und eine spezielle Art zu schreiben, was meinem
Mann und mir als Dauerabonnenten gut gefällt. Unbegreiflicher Weise gibt
es den „Wiener“ hierzulande seit langem nicht mehr.
MaHa: „Und damit: Buster!“ ist nicht nur sehr humorvoll, sondern
auch stilistisch hervorragend. Haben Sie das Buch ganz allein geschrieben?
Buster: Mein Lektor hat mein Deutsch verbessert. Ansonsten ist es durchaus
nur von mir. Es war mir wichtig, dass die „nackten“ Infos ironisch
aufgelockert werden. Wir haben zwar auf dem Markt bereits einige Sexratgeber
die ganz gut sind, allerdings sind sie allesamt schwierig zu lesen und mit
geradezu heiligem Ernst verfasst. Bei mir geht es lustiger zu, wenn auch im
Wort „Lustig“ die Lust steckt.
MaHa: Haben Sie sich mit der Arbeitsdisziplin eines Thomas Mann darangemacht,
der von acht Uhr morgens bis zwei Uhr nachmittags am Schreibtisch saß?
Buster: Nein, nicht beim Schreiben. Das Schreiben war eher sporadisch auf
den Tag verteilt, wenn ich mal eine Woche zuhause bin, was wirklich selten
passiert. Deswegen habe ich auch ein Dreivierteljahr dafür gebraucht.
MaHa: Das Coverfoto ist die einzige Abbildung im Buch... Würden Sie
mit freizügigen Fotos von sich nicht noch mehr Leute zum Kauf animieren?
Buster: Sicherlich. Ich hätte aber persönlich ein ganz anderes
Coverbild genommen, nämlich eines, wo ich gar nicht mit dem Gesicht zu
sehen bin. Der Verlag wollte es so. Es ist ein Sexratgeber – es geht
nicht um meine Person. Ich muss nicht immer im Vordergrund stehen. Ich würde
beispielsweise gerne einmal eine Messe privat besuchen, was nicht geht, weil
ich ständig erkannt und fotografiert werde. Klar, ich habe es mir so
ausgesucht, wollte es ja so haben. Doch manchmal bin ich auf die Anonymität
anderer Leute richtig neidisch.
MaHa: Hand aufs Herz. Was hat mehr Spaß gemacht. Ihre Krimis zu schreiben
– oder den Sexratgeber?
Buster: Das hier war definitiv mehr Arbeit, weil der Sex mit der Wahrheit
zu tun hat. Wenn ich beispielsweise über die Wirkung eines Medikaments
schreibe, muss ich vorher gründlich recherchiert haben. Die besten Tipps
holte ich mir übrigens bei meiner Tierärztin (lacht).
MaHa: Früher sind Sie als Pornodarstellerin in Aktion getreten, nun
reüssieren Sie überwiegend als marktführende Produzentin. Privat
sehen Sie sich keine Pornofilme mehr an, weil sie diese morgens am Schneidetisch
sehen. Sind Sie eigentlich noch mit am Set dabei?
Buster: Sehr oft sogar.
MaHa: Gibt es für Sie manchmal auch Phasen der Übersättigung,
wo Sie eine zeitlang mit Sex gar nichts mehr zu tun haben wollen?
Buster: Ja, das gibt es schon. Dann beantworte ich auch die Briefkastenfragen
als Sexpertin an diesen Tagen nicht. Dann mach ich gar nichts. Das geht mir
mit allem so, was ich liebe. Shoppen liebe ich über alles. Wenn ich drei
Tage unterwegs gewesen bin und abends vorm Einschlafen all die Geschäfte,
in denen ich eingekauft habe, vor meinem geistigen Auge vorüberziehen
lasse, will ich am vierten Tag nichts mehr vom Einkaufen wissen. Dann mache
ich lieber auf gemütlich und lese oder schreibe. Wenn man es zu extrem
treibt, braucht man Ruhepausen. (lacht)
MaHa: Mich würde interessieren, was Ihre persönlichen Lieblingsautoren
sind?
Buster: Mein Gott ist Doktor Atkins. Seine Diätbücher lese ich
neben Krimis am liebsten, aber auch die Schriften des Dalai Lama. Obwohl ich
bei manchen Werken den Eindruck habe: Das ist nicht ein und dieselbe Person,
die das schreibt. Vielleicht hat er Ghostwriter. Dennoch werde ich seine Schriften
immer wieder kaufen. Ich bewundere ihn, ich bin Buddhistin. Buddhismus ist
mein Leben. In Tschechien habe ich mir „Der Weg zum Glück“
gleich mehrmals gekauft, um es einigen Freunden zu schenken.
MaHa: Würden Sie dem Dalai Lama auch gerne persönlich begegnen?
Buster: Ja. Auf jeden Fall. Es wäre allerdings sicherlich schwierig,
durch die Sprachbarriere, die wir hätten. Wenn ich philosophieren möchte,
muss man die Sprache schon perfekt beherrschen. Ich würde aber gern die
Ausstrahlung dieses Menschen spüren. Jeder Mensch hat eine Aura. Man
merkt doch sofort, ob man jemand mag oder nicht. Ich würde gerne spüren,
ob er diese Wärme wirklich hat. Es gibt Menschen, die brauchen sie nicht
zu sehen. Wenn die in den Raum reinkommen, spüren sie es von hinten.
Andererseits kann jemand optisch ein Knaller sein - und sie merken gar nicht,
wenn er neben ihnen steht. Ich würde gerne testen, wie er ist. Ob er
da ist, ob er das ist, was wir glauben.
MaHa: Sie haben eben Ihre Heimat angesprochen. Sind sie auch mit den wunderbaren
tschechischen Kinderfilmen aufgewachsen?
Buster: Natürlich bin ich mit den ganzen Kinderfilmen aufgewachsen.
Die laufen da immer noch rauf und runter. Einer meiner Mitschüler wirkte
sogar als einer der Hauptdarsteller in der Zauberserie „Arabella“
mit. „Das Mädchen auf dem Besenstiel“ mit der von Petra Cernocka
verkörperten liebenswerten Hexe Sexana habe ich als Video im tschechischen
Original. Das könnte ich mir ´zig Mal angucken. Die Sachen sind
so gut gemacht. Das hat Handwerk und Atmosphäre. Das ist wieder etwas,
das man sofort spürt, wenn man den Film sieht. Auch den Zauber meiner
Geburtsstadt Prag, obwohl sie inzwischen leider - trotz sorgfältiger
Renovierung - viel davon verloren hat. Früher hat man schon beim Einatmen
der Luft gespürt, wo man gerade ist.
MaHa: Worin liegt die tschechische Meisterschaft für Kinder- und Märchenfilme
begründet?
Buster: Die hatten alle eine supergute Ausbildung. Nicht nur der Kameramann
muss ein besonders Feeling für die Bildeinrichtung haben, sondern auch
jeder Beleuchter muss genau gesagt bekommen, was er zu tun hat, damit diese
Atmosphäre rüberkommt. Das lässt sich sogar auf den Erotikbereich
übertragen: Ich muss leider fast täglich dem Kameramann sagen, was
er falsch gemacht und was er zu beachten hat – und er vergisst es trotzdem
wieder. Warum ist das so? Heute hat kaum ein Kameramann in Deutschland etwas
gelernt, außer den Knopf anzumachen. Manche halten sich für richtige
Künstler, weil sie eine Frau von unten aufnehmen. Dabei guckt man ihr
dann in den Gaumen. Sie meinen, man hat Kunst produziert, dabei sieht man
schlecht beleuchtet dreißig Jahre älter und wie ein Monster aus.
Durch den Kommunismus musste ja jeder in der ehemaligen Tschechoslowakei beruflich
beschäftigt werden Es waren am Set immer viele Leute, die den richtigen
Ablauf der Arbeiten gewissenhaft überwachten. Nicht so wie beim WDR,
wo es heute heißt: „Ich werde bezahlt, also stehe ich herum.“
MaHa: Würden Sie auch einmal in einem Märchenfilm mitspielen wollen?
Buster: Liebend gerne Vielleicht in einer lustigen Rolle oder als Prinzessin.
Allerdings möchte ich nicht gerne die ganze Zeit beim Dreh dabei sein.
Wenn man es nachher sieht, ist es immer ganz toll, und man freut sich sein
Leben lang. Doch ich habe schon am eigenen Leib gespürt, wie lange eine
Woche Dreharbeiten sein können. Das ist überwiegend Warterei. Das
kann ganz schön desillusionierend sein. Das ist aber auch die Kunst.
Im Rückblick ist es immer lustig: Ich machte vor kurzem im dritten Teil
der tschechischen Komödie „Kamenák“, was in der deutschen
Übersetzung „Knaller“ heißt, mit. Die Reihe ist wirklich
ein Knaller und schlug in meiner Heimat „Herr der Ringe“ und „Harry
Potter“ um Längen. Der Regisseur Zdenek Troska wird eine Karriere
wie einst Milos Forman machen, da bin ich sicher. Schon jetzt dreht er sowohl
in Russland als auch in Hollywood. Bei meinem Zusammenarbeit mit ihm hatte
ein Viertel der Darsteller am Set das Drehbuch gar nicht. Die Tschechen sind
ein recht witziges Völkchen – jeder hat die Möglichkeit, einen
Vorschlag zu machen. Wenn Sie zehn lustige Leute, die alle einen Vorschlag
machen, haben und der Regisseur kommt noch dazu, entsteht manchmal so etwas
geniales, woran man kurz zuvor noch nicht zu denken wagte. All meine Dialoge
sind vor Ort entstanden. Manchmal konnte ich die Szene nicht zu Ende drehen,
weil ich mich kaputt lachen musste.
MaHa: Sind Sie eigentlich patriotisch?
Buster: Überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich vielmehr
Deutschland zu Dank verpflichtet. Meine Eltern und sind 1983 hierher gekommen.
Ich hatte bis auf meine Oma und die Märchenfilme mit der Tschechoslowakei
abgeschlossen und wollte auch nicht mehr zurück. Freiwillig sowieso nicht,
wenn, dann bin ich nur zu meiner Oma rübergeflogen, um sie zu betreuen,
wenn sie krank war. Als sie starb, sagte ich mir: „Da fahre ich nie
mehr hin“.
MaHa: In diesem Jahr kandidierten Sie allerdings als tschechische Abgeordnete
der unabhängigen Initiative NEI für den Einzug ins Europäische
Parlament.
Buster: Bis zum Wahlkampf war ich sieben, acht Jahre nicht mehr da. Mit dem
Einzug ins europäische Parlament sah es lange Zeit wirklich gut aus.
Alle Umfragen sahen mich zwischen 30 bis 70%. Ich war sicher, wir kommen da
rein. Doch dann gingen nur 20% wählen. Dieses Jahr ist die Europawahl
insgesamt ganz katastrophal ausgefallen. Das Problem ist, dass die alten Ostblockstaaten
eine gewisse Ignoranz an den Tag legen, was Politik betrifft. Die sagen alle
den selben Spruch: „Wir sind angeekelt von der Politik und können
eh nichts ändern.“. Egal, wo ich in Tschechien hingegangen bin,
sagte mir wirklich jeder: „Ich finde es toll, dass sie kandidieren.
Ich wähle sie.“ Doch es hat nicht geklappt. Es lag auch wohl daran,
dass mich als Dolly Buster jeder in Tschechien kannte, aber mein wirklicher
Nachname Baumberger mit dem ich mich auf Platz 28 der Liste eintragen musste,
kaum jemand ein Begriff war.
MaHa: Für was wollten sie eintreten?
Buster: Für die Leute und natürlich auch mich. Ich wollte ins Europaparlament
als Abgeordnete. Die Versprechungen der anderen Parteien, die aus innenpolitischen
Themen bestanden, für die sie nicht kompetent waren, kaute ich dabei
bewusst nicht wieder. Ich sagte: „Hier habt ihr eine konkrete Person,
die für euch etwas tut, wenn sie tatsächlich reingewählt ist.“
Wer denkt, dass es nur PR-Gag war, hat sich getäuscht. Nach der Wahl
in Prag war ich eine Woche wie gelähmt, bekam kaum Luft. Vieles war passiert:
Ich durfte selbst nicht wählen, weil ich nicht rechzeitig angemeldet
war. Man hat mir während der Wahl vor laufenden Kameras bei einem Gespräch
mit RTL das Portmonee geklaut. Und dann hab ich noch die Wahl verloren. Das
alles in zwei Tagen. Sie rechnen fest damit, zu gewinnen, und dann können
sie noch nicht einmal wegfliegen, weil sie keinen Ausweis und Reisepass mehr
haben. Ich war gnadenlos enttäuscht und hatte zum zweiten Mal mit Tschechien
abgeschlossen. Nein, das waren mir zuviel Lügen. Inzwischen haben sich
die Wogen wieder geglättet. Ich spielte in der oben besagten Komödie
mit und bekomme Ende des Jahres auf Nova, dem größten Privatsender
des Landes, eine eigene Talkshow: Außerdem schreibe ich einen neuen
Sexratgeber auf tschechisch, der sich in vielem von dem deutschen unterscheiden
wird. So tauchen die Briefkastenfragen samt Antworten in der Fassung gar nicht
auf. Momentan schlägt mir wieder viel Sympathie in Tschechien entgegen.
Ich werde mit den Leuten schneller warm als in Deutschland. Vielleicht auch
eine Frage der Mentalität.
MaHa: Würden Sie sich als sensibel bezeichnen? In der Hardcore-Pornobranche
muss man bekanntlich sehr tough sein.
Buster: Ich bin durchaus sehr selbstbewusst. Doch die Europawahl war in der
Tat ein Rückschlag. Ich bin jederzeit bereit, berechtigte Kritik anzunehmen,.
Und so zerfleischte ich mich einige Tage mit Selbstvorwürfen, bis ich
begriff, dass die Wahlniederlage mit meiner Person an sich nichts zu tun hat.
Diejenigen, die mich wählen wollten, sind nicht hingegangen, und diejenigen
die zur Wahlurne marschierten, haben die Kommunisten gewählt.
MaHa: Welchem politischen Spektrum würden Sie sich zuordnen?
Buster: In der Mitte. Ich bin liberal.
MaHa: Es ist derzeit en vogue vom Hardcore-Pornostar in scheinbar seriösere
Gefilde umzusatteln. Haben sie privaten Kontakt mit anderen ehemaligen Erotik-Actricen
wie Theresa Orlowski, Gina Wild alias Michaela Schaffrath oder Sybille Rauch?
Buster: Theresa kenne ich persönlich. Wir freundeten uns an, nachdem
ich 1997 aufgehört hatte, als Erotikdarstellerinnen vor der Kamera zu
agieren. Sie trat ja schon vor mir zurück. Mein Mann und ich haben sie
als Produzenten auch zum Branchenpreis „Venus“ geholt. Sybille
Rauch und Michaela Schaffrath kenne ich nur aus dem Fernsehen, denn bei den
Medienparties gehe ich immer als erste. Das, was da gesprochen wird, hat keinen
Wert und Sinn. Derjenige, der denkt, dass er auf Medienparties noch beruflich
weiterkommt, hat keine Ahnung. Was bekam ich dort schon für Offerten
zu moderieren oder mitzuspielen! Entweder die Leute denken es sich aus –
oder sie waren einfach betrunken. Nun lasse ich mir Vorschläge nur noch
schriftlich schicken, bespreche diese mit meinem Büro, um einen gezielten
Termin zu vereinbaren.
MaHa: Hat jeder Pornostar sein Verfallsdatum?
Buster: Nein, nur der Tod ist das Ende aller weltlichen Dinge. Eine Darstellerin
meiner Produktionsfirma war bis Mitte 50 aktiv. Jetzt ist sie der Renner der
Telefonhotlines im Werbefernsehen. Viele junge Männer sind Liebhaber
reiferer Damen, wenn sie gepflegt sind.
MaHa: Sie sagten vorhin: „Buddhismus ist mein Leben“. Verhält
sich das auch so mit Sex?
Buster: Sex ist mein Leben. Buddhismus und Sex schließen sich ja nicht
aus. Buddhismus ist keine Religion - und ich bin in keiner Weise religiös,
schließlich bin ich bin im Kommunismus aufgewachsen. Buddha ist kein
Gott. Jeder kann ein Buddha werden. Ich glaube an mich selbst – und
an Wiedergeburt. Der Gott ist man selber. Jeder ist sein eigener Gott.
MaHa: Bei ihrer Begeisterung für Kinderfilme verwundert es ein wenig,
dass sie selbst noch keine Kinder haben...
Buster: Ich will auch keine, obwohl ich sie ansonsten sehr gerne habe. Meine
biologische Uhr tickte in dieser Hinsicht überhaupt nicht. Auch mein
Mann, der 26 Jahre älter ist als ich, wollte nie eigene Kinder. Unsere
drei Hunde sind unsere Kinder. Bei ihnen entwickele ich Mutterinstinkte und
wäre sofort bereit, mich auf die Straße zu knallen und für
sie umfahren zu lassen.
Das Interview führte Marc Hairapetian am 9. September 2004.